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Frank Vollmert, stellv. Vorsitzender und sportpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion (Fotomontage, Hintergrundmotiv von Hans Braxmeier auf Pixabay)

Debatte um Sport auf Regenrückhaltebecken: „Was bleibt, ist eine verunsicherte Vereinslandschaft“

Vergeblich hat die SPD-Fraktion versucht, den rot-rot-grünen Konsens für Sportplätze auf dem Regenrückhaltebecken wiederherzustellen. Wie die Debatte im Sportausschuss verlief, berichtet SPD-Fraktionsvize Frank Vollmert.

Frank Vollmert ist sportpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg.

Frank, Am Mittwoch ging es im Sportausschuss wieder mal um das Regenrückhaltebecken am Tempelhofer Feld. Die SPD-Fraktion will die Fläche weiterhin ausschließlich für den Sport sichern. Was haben die anderen Fraktionen für Signale gegeben?

Frank Vollmert: Die Grünen und Linken haben keine eindeutigen Signale ausgesendet. Einerseits sagen sie, dass sie weiterhin Sportflächen wollen. Andererseits schließen sie andere Nutzungen nicht aus, die den Sportflächenbau behindern würden. Was bleibt, ist eine verunsicherte Vereinslandschaft, die umsonst auf Zuspruch und ein einstimmiges Signal für eine Sportbebauung gehofft haben.

Linke und Grüne verweisen darauf, dass in den vergangenen neun Jahren auf der Fläche nichts passiert sei. Schon 2012 hat sich das Bezirksparlament für Sport auf dem Regenrückhaltebecken ausgesprochen. Jetzt argumentieren Linke und Grüne: Bevor weiterhin gar nichts passiere, müsse man Kompromisse suchen und sich zum Beispiel mit einer Sporthalle zufrieden geben. Klingt das für dich einleuchtend?

Dieses Narrativ, das die anderen Fraktionen bedienen, ist nicht nachvollziehbar. Es stimmt, dass die SPD-Fraktion 2012 eine Resolution verfasst hat, die neue Sportflächen auf dem bisherigen Regenrückhaltebecken gefordert hat. Das haben auch Grüne und Linke unterstützt. Allen Beteiligten war damals bereits klar: Damit hier Sportflächen errichtet werden können, muss erst eine andere Lösung für das Regenwasser geschaffen werden, das hier im Becken gesammelt wird.

Dann kam aber der Volksentscheid zum Tempelhofer Feld. Damit war es plötzlich unmöglich, das Regenwasser vom Tempelhofer Feld in einen künstlichen See auf dem Feld selbst einzuspeisen. Die Linken und Grünen wissen das, deshalb ist ihre Argumentation nicht schlüssig!

Hier stellen sich zwei Fragen. Zum einen: Warum diskutieren wir dann überhaupt noch über eine andere Nutzung auf dieser Fläche, wenn doch das Wasserbecken auf absehbare Zeit hier bleibt?

Momentan verhindert ein sehr weitgehendes Gesetz, dass das Regenwassermanagement neu organisiert werden kann. Gesetze können sich aber perspektivisch auch wieder ändern. Wir leben in einem eng bebauten Bezirk, in dem für neue ungedeckte Sportanlagen kaum noch Platz ist. Um es klar zu sagen: Es handelt sich hier um die letzte Potenzialfläche für neue Sportplätze. Wenn wir die jetzt aufgeben, dann war es das.

Die zweite Frage, die manche stellen: Weshalb streitet der Bezirk über diese vergleichsweise kleine Fläche, wo doch nebenan das riesige Tempelhofer Feld liegt? Da sei doch noch massig Platz für Sportplätze.

Erstens ist es unsere Aufgabe als BVV, die Bedarfe unserer Sportvereine innerhalb des eigenen Bezirkes zu decken. Was auf dem Tempelhofer Feld passiert, haben wir überhaupt nicht zu entscheiden. Zweitens macht uns auch hier das THF-Gesetz einen Strich durch die Rechnung. Sportanlagen mit Funktionsgebäuden dürfen auf dem Tempelhofer Feld nämlich gar nicht errichtet werden.

Die Degewo hat Überlegungen präsentiert, das Rückhaltebecken mit Stelzen zu überbauen. So könnte neben Wohnungen auch eine Sporthalle entstehen. Warum will die SPD-Fraktion dann nicht lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach?

Sporthallen sind in unserem Bezirk ebenfalls knapp. Aber im Rahmen der Schulbauoffensive wird sich da in den nächsten Jahren einiges tun. Für ungedeckte Sportanlagen, also Sportplätze, gilt das nicht. Nochmal: Entweder schaffen wir sie hier, oder es wird keine neuen Sportplätze im Bezirk mehr geben.

Die Stelzen-Bauweise gilt übrigens als sehr teuer. Ich bezweifle deshalb, dass hier Sozialwohnungen oder andere günstige Wohnungen geschaffen werden können. Und Konflikte mit dem schon bestehenden Sportplatz an der Züllichauer Straße und der Sportanlage von Turnen in Berlin wären vorprogrammiert, das würde unseren Sportvereinen nochmal zusätzlich schaden. Ebenso wäre die Kleingartenanlage in Teilen in ihrem Bestand gefährdet. Wir brauchen zwar mehr Wohnungen, aber hier ist wirklich der falsche Ort dafür.

Konkret ging es im Sportausschuss am Mittwoch um einen Antrag der SPD-Fraktion, die Errichtung von Sportflächen auf dem Regenrückhaltebecken in die nächste Investitionsplanung aufzunehmen und beim Land Berlin anzumelden. Was genau würde das ändern?

Der Antrag ist eine Reaktion auf die Debatten der vergangenen Monate. Über viele Jahre waren wir mit Linken und Grünen in einem Boot, was die Zukunft des Regenrückhaltebeckens betrifft. Erst 2018 haben wir gemeinsam beschlossen, dass Wohnungsbau-Planungen vom Bezirksamt nicht mehr weiterverfolgt werden sollen, wenn das die ersehnten Sportflächen be- oder verhindert. Im vergangenen Jahr kam uns zu Ohren, dass die Bestrebungen der Wohnungsbaugesellschaft Degewo trotzdem weiterverfolgt wurden. Die SPD-Fraktion hat deshalb wieder einen Antrag eingebracht, diesmal auch, um die benachbarte Kleingartenkolonie in ihrem Bestand zu sichern.

Dieser Antrag wurde dann erstmalig von Linken und Grünen nicht unterstützt. Und in einer Sitzung des Sportausschusses wurde dem sozialdemokratischen Sportstadtrat vorgeworfen, in den ganzen Jahren zuvor untätig gewesen zu sein. Konkret wurde ihm zur Last gelegt, das Bezirksamt habe keine Vorplanungen gemacht und das Projekt nicht in die Investitionsplanung aufgenommen.

Dazu muss man wissen: Es ist vollkommen unüblich, einen solchen Verwaltungsprozess anzustoßen, wenn noch überhaupt nicht absehbar ist, wie genau das umgesetzt werden soll. Also in diesem Fall: wie das Regenwassermanagement neu organisiert werden kann. Trotzdem habe ich die Vorwürfe aufgegriffen und beantragt – auch, wenn es unüblich ist – in diesem speziellen Fall schon jetzt die Aufnahme in die Investitionsplanung des Bezirkes anzugehen. Mein Antrag war der vergebliche Versuch, den Schulterschluss zwischen Grünen, Linken und SPD wiederherzustellen.

Wie ist denn die Debatte am Mittwoch ausgegangen? Gibt es eine neue Beschlusslage?

Grüne und Linke haben einen Änderungsantrag eingebracht, der auch mehrheitlich beschlossen wurde. Im Kern sagt dieser Antrag, dass planerische Vorarbeiten geleistet werden sollen für „verschiedene Varianten des Baus von Sportstätten“. Er enthält also keine klare Aussage dazu, ob nun mehrere Sportplätze, eine einzige Halle oder eine Radrennbahn angestrebt werden. Dafür wird festgehalten, dass das Rückhaltebecken mit seinen „ökologischen Gesichtspunkten und seiner Funktion als Stadtbiotop und Frischluftschneise“ besonders berücksichtigt werden soll.

Die zwischen Linken und Grünen abgestimmte Fassung des Änderungsantrages wurde erst sehr spät in der Sitzung vorgestellt. Nachfragen seitens der Vereinsvertreter*innen, was denn nun mit der Wohnungsbebauung sei und was das Feuchtbiotop für die Sportflächen bedeuten würde, wurden von Grünen und Linken nur unzureichend beantwortet.

Ich habe die Befürchtungen aufgenommen und einen Ergänzungsantrag geschrieben mit dem Ziel, dass die Wohnungsbebauung bei den Vorplanungen nicht berücksichtigt werden soll. Zweitens habe ich gefordert, dass die Funktion als Stadtbiotop mit der Errichtung der Sportflächen in Einklang gebracht werden muss. Diesen Ergänzungsantrag haben Linke und Grüne abgelehnt, obwohl sie während der ganzen Debatte behauptet haben, sie seien nicht gegen Sportflächen. Es ist enttäuschend, wie das gelaufen ist.

Die Sportvereine wissen nur bei der SPD, woran sie sind, denn unsere Position war und ist glasklar. Die Wundertüte der anderen Fraktionen, in der vom Wohnungsbau bis hin zum Feuchtbiotop alles drin ist, ist auf jeden Fall ein Verlassen des jahrelangen Konsenses, an diesem Ort eine Sportfläche zu errichten.

 

Das Gespräch führte Carl-Friedrich Höck