Im Stadtplanungsausschuss wurden am Mittwoch die Pläne für das Hochhaus in der Schöneberger Straße vorgestellt. Der Ausschussvorsitzende John Dahl (SPD) berichtet von der Debatte und erklärt, warum er Zweifel am Sinn des Projektes hat.
John Dahl berichtet aus dem Ausschuss für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen der BVV Friedrichshain-Kreuzberg. Wie das Hochhaus aussehen soll, kann man sich auf der Website der UTB Projektmanagement GmbH ansehen.
Im Ausschuss für Stadtplanung wurden die überarbeiteten Hochhaus-Pläne für die Schöneberger Straße vorgestellt. Dort soll Platz sein für Wohnen, Gewerbe und soziale Infrastruktur. Wie waren die Reaktionen im Ausschuss?
Johl Dahl: Gemischt. Wir hatten ungewöhnlich viele Besucher*innen in der digitalen Sitzung. Es gab vereinzelte Claqueure – Menschen, die man noch nie zuvor im Ausschuss gesehen hat. Ich hatte den Eindruck, das war von bestimmter Seite gut vorbereitet. Aber es gab auch sehr kritische Stimmen aus der Anwohnerschaft, die berechtigte Fragen aufgeworfen haben.
Wie bewertest du das Bauvorhaben? Kannst du dem Hochhaus Gutes abgewinnen?
Viel abgewinnen kann ich dem Projekt nicht. Gut ist, dass es Wohnraum schaffen würde, da haben wir Bedarfe. Andererseits stört mich die Art und Weise. Wir haben dort eine sehr hohe Baudichte – ein Hochhaus auf einem kleinen Grundstück bedeutet die maximal mögliche Ausbeute.
Normalerweise schlägt Hochhaus-Plänen in unserem Bezirk Ablehnung entgegen. Mit Wohnhochhäusern hat man schlechte Erfahrungen gemacht. Das funktioniert nur in Städten, wo man hochpreisiges Wohnen in die Häuser reinbaut. Denn der Bau von Hochhäusern ist sehr teuer, wegen der Brandschutzauflagen, Erschließungsflächen etc. Im Ausschuss wurde das auch dargelegt: Wenn man das Drittelmodell der kooperativen Baulandentwicklung verfolgt – ein Drittel 6,50-Euro-Miete, ein Drittel hochpreisige Eigentumswohnungen und ein Drittel sogenannter „bezahlbarer Wohnraum“ – wird es trotzdem teuer.
Die Kosten muss der Bauherr zahlen. Warum sollte sich die BVV daran stören?
Der Projektentwickler Thomas Bestgen hat eingeräumt, dass die Eigentumswohnungen im Segment oberhalb von 10.000 Euro pro Quadratmeter liegen werden. Das sind Münchener Verhältnisse. Selbst wenn wir das ausblenden, ist unklar, was eigentlich mit „bezahlbarem Wohnraum“ im Rahmen von genossenschaftlichem Wohnen etc. eigentlich gemeint ist. Eigentlich ist doch Herrn Bestgens Geschäftsmodell: Ich gründe selbst eine Genossenschaft und lasse mir teuer Genossenschaftsanteile abkaufen. Da ist das Wohnen dann gar nicht so günstig.
Ein weiterer Punkt: Die 6,50-Euro-Wohnungen – also die geförderten Sozialwohnungen – möchte Herr Bestgen selbst im Bestand behalten. Damit haben wir im Bezirk schlechte Erfahrungen gemacht, denn Belegungsbindungen laufen nach einer Weile aus. Auch 30 Jahre sind irgendwann vorbei, und dann hat die Stadt gar keinen Einfluss mehr auf die Miete. Deshalb fordern wir normalerweise, dass die geförderten Wohnungen in den Bestand eines landeseigenen Unternehmens kommen. Das ist bei einem Hochhaus natürlich schwieriger, da müsste man das mit Eigentumswohnungsanteilen regeln, aber theoretisch ginge das. Geplant war das bisher nicht, nun sagt der Baustadtrat man suche einen Partner. Den gibt es aber bisher nicht, soviel ich weiß.
In baulicher Hinsicht wäre das Hochhaus innovativ. Es soll in Holzbauweise errichtet werden.
Ob das technisch bei so einem Hochhaus überhaupt umsetzbar ist, da habe ich Zweifel. Und die ökologischen Vorteile eines Hochhauses halten sich in Grenzen. Auf der Habenseite steht der geringe Flächenverbrauch, man versiegelt pro Wohnung weniger Fläche. Andererseits sind die Energiekosten bei einem Hochhaus vergleichsweise hoch, man benötigt Fahrstühle und der Bau ist aufwendiger. Mein Eindruck am Ende der Sitzung war: Der Einzige, der von dem Projekt wirklich profitieren wird, ist Herr Bestgen.
Da kommen wir zu einem brisanten Punkt: Thomas „Tom“ Bestgen, der das Hochhausprojekt vorantreibt, hat im vergangenen Jahr die Diese eG mit einem Kredit vor der Zahlungsunfähigkeit gerettet. Und damit indirekt auch Baustadtrat Florian Schmidt geholfen, die Affäre um die Diese eG zu überstehen. Bestgen weist jeden Zusammenhang zurück, an dem Projekt sei schon vor Schmidts Amtsantritt gearbeitet worden. Konnte er dich überzeugen?
Nicht wirklich. Das ist schon ein beachtlicher Zufall. Die Frage ist aber auch gar nicht, ob da früher schon mal was geplant wurde, sondern ob der politische Widerstand, der solchen Plänen normalerweise entgegenschlagen würde, an dieser Stelle eingedampft wurde. Da sehe ich schon einen offensichtlichen Zusammenhang. Wir haben ja auch andere Vorhaben im Bezirk, wo Herr Bestgen über Herrn Schmidt reingelotst wurde, etwa bei der Bockbierbrauerei. Man kennt sich, man versteht sich und man hilft sich wo man kann.
Über einen Bebauungsplan an Baurecht zu kommen, ist ein langwieriger Prozess. Wie ist denn der aktuelle Stand und welchen Handlungsspielraum hat die BVV noch?
Das Bezirksamt hat Ende letzten Jahres einen Aufstellungsbeschluss gefasst, den hat die BVV so mehrheitlich „zur Kenntnis genommen“, also ihm zugestimmt. Wenn jetzt der Architekten-Wettbewerb abgeschlossen ist, muss eine Beteiligung der Öffentlichkeit stattfinden und es müssen die Träger öffentlicher Belange abgefragt werden. Und um in das Planungsverfahren einzusteigen, muss erstmal eine Planungsunterlage erstellt werden.
Am Ende des Prozesses steht der Bebauungsplan, den die BVV beschließen muss. Die BVV hat hier noch alles in der Hand, denn sie muss dem Plan zustimmen. Wenn das Bezirksparlament sein Veto einlegt, kann Herr Bestgen kein Hochhaus bauen. Ich glaube aber nicht, dass es in dieser Wahlperiode noch zu einer Beschlussfassung kommen wird.
Wie wird sich die SPD-Fraktion jetzt weiter verhalten?
Da ich für die nächste Wahlperiode nicht mehr kandidiere, werden es andere entscheiden müssen. Zum jetzigen Zeitpunkt empfehle ich aber, den Bau abzulehnen. Die entscheidende Frage, ob ein Hochhaus da hinpasst, hat das Bezirksamt im Ausschuss nicht ausreichend beantwortet. Es hat sich nur auf die Berliner Leitlinien für Hochhausbau bezogen. Die geben aber gar nicht vor, wo konkret Hochhäuser gebaut werden sollen. Die Frage, ob ein Hochhaus in die nähere Umgebung passt und welche Nachteile und Vorteile das hat, müssen wir schon selbst beantworten.
Selbst ein schönes Hochhaus ist kein Solitär, der irgendwo auf dem freien Feld steht. Der Bau muss in ein organisches Gemeinwesen namens Stadt hineinpassen. Da gibt es aus meiner Sicht berechtigte Zweifel, ob das der richtige Platz ist.