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Eine Spritze liegt auf dem Boden.
Eine Spritze liegt auf dem Boden.

„Man hat die Anwohnenden im Wrangelkiez alleine gelassen“

Spritzen am Spielplatz, Müll und Schlägereien: Bei einem „Präventionsrundgang“ im Wrangelkiez wurden vielfältige Probleme angesprochen. Die SPD-Verordnete Peggy Hochstätter war dabei.

Der Rundgang fand am 10. September 2020 statt. Peggy Hochstätter ist Bezirksverordnete und Vorsitzende der Spielplatzkommission.

Peggy, am vergangenen Donnerstag gab es im Wrangelkiez einen Rundgang: Mit Vertreter*innen von Polizei, Bezirksamt, lokalen Einrichtungen und Initiativen sowie Anwohnenden. Welche Themen wurden besprochen?

Peggy Hochstätter: Es war ein Präventionsrundgang für mehr Sicherheit, zu dem die Polizei eingeladen hatte. Es ging darum, welche baulichen Maßnahmen nötig sind, um Plätze, Orte und Straßen vor Verwahrlosung zu schützen. Auch wegen des Drogenkonsums ist das ein riesengroßes Thema im Wrangelkiez. Man hat die Anwohner*innen aus falsch verstandener Toleranz lange damit alleine gelassen.

Am Donnerstag gab es eine Auftaktveranstaltung in der Fichtelgebirge-Schule und dann eine moderierte Führung, unter anderem zum Spielplatz zwischen Cuvry- und Falckensteinstraße. Dort gibt es vielfältige Problemlagen: Es werden Drogen verkauft und konsumiert. Es wird getrunken und geschrien, es gibt viel Aggressivität. Anwohner*innen haben mir erzählt, dass es vor dem nahen Rewe auch immer wieder zu Schlägereien kommt, obwohl die sogar schon einen Sicherheitsdienst vor der Tür haben.

Wie hast du den Rundgang erlebt und welche Erkenntnisse hast du gewonnen?

Den Anwohnenden war wichtig zu betonen: Uns geht es nicht um die Obdachlosen. Von denen sind viele sehr ruhig. Den Anwohnenden geht es um die Probleme rund um den Drogenkonsum, um die Dealer und die Aggressivität. Wir haben das beim Rundgang selbst erlebt. Eine Frau zeigte uns sogar ihren nackten Hintern. Den Spielplatz an der Cuvrystraße habe ich schon erwähnt: Die Leute waschen sich am Brunnen, konsumieren Drogen, es liegen Spritzen herum. Die Spielgeräte sind abgebaut. Eine Mutter hat mir erzählt, sie fühle sich alleine gelassen. Sie meint: Die Kinder kommen in den Vorstellungen, die das Bezirksamt für den Görli oder den Wrangelkiez hat, als Benutzergruppe kaum vor.

Wir sind dann noch weiter Richtung Görlitzer Park gegangen. Vor dem großen Tor ist auch ein Spielplatz, mit Peter-Pan-Graffiti an einer Hauswand. Die Mutter sagte mir: Jedes Mal, bevor wir die Kinder auf den Spielplatz lassen, sammeln wir erstmal Spritzen und Drogen ein. Ihre Tochter habe sich sogar schon an einer Spritze verletzt. Ein anderes Kind brachte bunte Pillen mit nach Hause und hat zum Glück erst die Eltern gefragt, ob es das essen dürfe. Solche Zustände können wir doch einfach nicht hinnehmen!

Bürgermeisterin Monika Herrmann war ebenfalls dabei. Welche Lösungen hat sie ins Gespräch gebracht?

Leider gar keine. Sie schiebt gerne die Schuld auf andere: Mal sind ihre Kolleg*innen im Bezirksamt für Probleme verantwortlich, mal die Nutzer*innen oder die Senatsebene. Dieses Mal beschimpfte sie die Polizei, die ja überhaupt erst zu dem Rundgang eingeladen hatte. Deren Vertreter*innen waren wirklich bemüht dem Bezirksamt aufzuzeigen, wie man die Orte umgestalten könnte, damit bestimmte Probleme gar nicht erst entstehen. Man kann Straßen besser ausleuchten. Es sind zu wenige Mülleimer aufgestellt. Es ging auch um Verkehrsberuhigung: An manchen Stellen ist die Straßenbemalung so abgenutzt, dass kaum noch jemand die Zeichen zuordnen kann.

Doch statt zuzuhören schrie die Bürgermeisterin herum, machte der Polizei Vorwürfe und ging dann weg, ohne das Ende des Rundganges abzuwarten. Das hat doch einige Anwohner*innen sehr verärgert.

Peggy Hochstätter ist Bezirksverordnete und Mitglied der SPD-Fraktion. Sie gehört unter anderem dem Ausschuss für Umwelt, Verkehr, Klimaschutz und Immobilien an. Außerdem ist sie Vorsitzende der Spielplatzkommission.

Die Situation im Wrangelkiez beschäftigt auch die SPD-Fraktion im Bezirksparlament. Gibt es schon konkrete Initiativen oder Forderungen der Fraktion?

Ich stehe seit Längerem mit Anwohnenden und dem Familien- und Nachbarschaftszentrum „Kiezanker 36“ in Kontakt. Ich bin Vorsitzende der Spielplatzkommission, die hat in der Vorwoche schon am Spielplatz zwischen Cuvry- und Falkensteinstraße getagt, sodass auch die anderen Fraktionen einen Eindruck von der Situation gewinnen konnten. Wir wurden ständig angequatscht, nach Zigaretten oder Drogen gefragt, teilweise bedrängt.

Für die nächste BVV beantragt die SPD-Fraktion, den ehemaligen Spielplatz im Durchgang von der Cuvry- zur Falckensteinstraße abzuschließen. Dort liegen Fäkalien und anderes, ich habe es ja erwähnt. Denn Kinder sollten nicht auf einem Platz spielen, wo Spritzen liegen und Leute sich ihre Genitalien waschen. Deshalb muss der Spielplatz abgeschlossen werden und ein Schild aufgehängt werden, dass der Platz nicht mehr gereinigt wird.

Besser wäre doch, den Spielplatz wieder so herzurichten, dass er gefahrlos genutzt werden kann.

Genau. Dazu gibt es verschiedene Ansätze. Grundsätzlich plant das Bezirksamt, den Durchgang zwischen Cuvry- und Falckensteinstraße – wo auch der Spielplatz liegt – umzugestalten. Wenn der Spielplatz irgendwann wieder hergerichtet ist, soll er einen hohen Zaun bekommen, der zeitweise abgeschlossen werden kann – das könnte der Kiezanker nebenan übernehmen. Aber es wird wohl recht lange dauern, weil die Umgestaltung wahrscheinlich öffentlich ausgeschrieben werden muss.

Die Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe (SPD) hat dem Bezirksamt einen Tipp gegeben, damit es sich für das Bundesprogramm ‚Modellprojekte zur Klimaanpassung und Modernisierung in urbanen Räumen‘ bewirbt. Da kann der Bezirk eine Menge Geld bekommen. Damit könnte man vielleicht schon vorab ein paar Dinge machen, bevor es an die große Gesamtplanung geht. Auf jeden Fall muss möglichst bald etwas getan werden. Die Anwohnenden haben das verdient. Sie sind wirklich sehr tolerant. Aber wenn du morgens aus dem Haus gehst, von Drogensüchtigen angemacht wirst und dir jemand vor die Haustür gekackt hat, dann ist die Geduld auch irgendwann mal aufgebraucht.

Das Gespräch führte Carl-Friedrich Höck