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Hannah Sophie Lupper (Fotomontage: SPD-Fraktion)

Lupper zur Urbanen Mitte: „Den Vertrag würde man heute so nicht schließen“

Das geplante Bauprojekt „Urbane Mitte“ am Gleisdreieck-Park stößt auf viel Kritik. Die Co-Vorsitzende der SPD-Fraktion Hannah Sophie Lupper erklärt, warum es wohl trotzdem kommen wird.

Frage: Die Urbane Mitte ist ein geplantes Bauprojekt am Gleisdreieck-Park. Was soll dort entstehen?

Hannah Sophie Lupper: Man muss dazu sagen: Es gäbe ohne die Urbane Mitte wahrscheinlich den Gleisdreieck-Park nicht. Es handelt sich bei dem Gelände um eine ehemalige Bahnfläche. Die Bahn hat dem Bezirk die Fläche überschrieben, auf der dann der Gleisdreieck-Park entwickelt werden konnte. Im Gegenzug hat die Bahn Baurecht für das Areal erhalten, auf dem jetzt die Urbane Mitte entstehen soll. Diese Vereinbarung wurde 2005 in einem Städtebaulichen Vertrag festgehalten.

Die Fläche, auf der die Urbane Mitte entstehen soll, wurde in der Zwischenzeit an einen Investor verkauft. Dort sollen jetzt sieben Gebäude entstehen, darunter mehrere Hochhäuser bis zu 90 Meter – das ist so hoch wie das Postscheckareal. Leider entsteht keine einzige Wohnung. Das werden vor allem Büroflächen sein, dazu kommen Atelierflächen und eine Art Markthalle.

Neue Hochhäuser, wo bisher Grünflächen waren: dagegen regt sich Widerstand. Wie steht die SPD-Fraktion zu dem Vorhaben?

Wir sind nicht für das Vorhaben und sind unglücklich darüber, dass dort keine einzige Wohnung ensteht. Zudem wird eine riesige Fläche versiegelt. Persönlich finde ich es nicht schlimm, wenn in die Höhe gebaut wird. Denn umso weniger muss ich in die Breite bauen und Flächen versiegeln. Aber man muss sich schon die Frage stellen, ob wir überhaupt noch Bürogebäude brauchen. Ich meine: nein. Das sah im Jahr 2005 noch ganz anders aus, heute entspricht das nicht mehr dem Bedarf.

Das Problem ist: Wir haben einen gültigen Städtebaulichen Vertrag. Der Investor hat Baurecht. Wenn er dieses Recht nicht ausüben kann, kann er Schadensersatz einfordern, auch das steht im Vertrag. Den würde man heute so nicht mehr schließen. Damals gab es zig Baulücken in Berlin und es standen hunderttausende Wohnungen leer. Die Umstände haben sich komplett geändert.

Nun stehen wir vor der Wahl: Entweder, es wird gebaut, oder auf den Bezirk bzw. das Land Berlin kommen Schadensersatzforderungen zu, die sich leicht im Bereich von 100 Millionen Euro bewegen können. Klar ist: Der Bezirk könnte das nicht tragen

Am 18. September hast du an einer Diskussionsveranstaltung mit Bürger*innen teilgenommen, die sich gegen den Neubau aussprechen. Welche Eindrücke nimmst du aus den Gesprächen mit?

Ich war mit weiteren Sozialdemokraten im Gespräch mit Vertreter*innen vom Verbund „Stoppt die Urbane Mitte“. Somit war zu erwarten, dass die allermeisten sich gegen das Projekt aussprechen. Mein Eindruck ist, dass das Vorgehen des Bezirksamtes als sehr intransparent wahrgenommen wurde. Es gab eine formale Bürger*innenbeteiligung, wie es bei Bauvorhaben dieser Größe üblich ist. In der Art und Weise ist das aber aus meiner Sicht unglücklich gelaufen. Denn dort ist bei vielen Menschen der Eindruck entstanden, man könne noch über die Bebauungsdichte oder -fläche verhandeln. Das war aber gar nicht der Fall, das war alles bereits im Vertrag festgeschrieben. Und auch die Frage, ob die Urbane Mitte überhaupt kommt, ist im Verfahren zur Disposition gestellt worden, so als ob man darüber noch frei hätte entscheiden können. Ich halte es für verheerend, wenn man den Leuten etwas vormacht. Das führt zu Frust.

Die Planungshoheit liegt beim Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg – und damit beim grünen Baustadtrat Florian Schmidt. Welche Impulse hat er in den vergangenen Jahren gesetzt?

Dass die Bürger*innenbeteiligung vergleichsweise aufwendig betrieben wurde, lag auch daran, dass der grüne Baustadtrat das Projekt lange gefördert hat. Er hat Diskussionsveranstaltungen etwa im Technikmuseum gemacht und hat sich dafür eingesetzt, dass die Urbane Mitte geplant wird. Noch 2019 hat Schmidt in der Bauwelt ein Interview gegeben und geschwärmt, dort werde ein heterogenes Kreativquartier entstehen und er glaube, dass das Projekt ein Erfolg werden könne.

Hat sich seine Position denn geändert?

Diese Frage stelle ich mir auch. Kürzlich haben projektkritische Initiativen eine öffentliche Veranstaltung organisiert. Dort äußerte sich die grüne Fraktion, sie sei gegen das Projekt und würde es ablehnen. Das hat mich doch gewundert, weil es nach meinem Eindruck nicht mit dem bisherigen Handeln des grünen Baustadtrates zusammenpasst.

Was sollte der Bezirk jetzt konkret tun?

Die Handlungsspielräume sind leider begrenzt. Da sollte man auch ehrlich sein und den Leuten reinen Wein einschenken, anstatt nur zu sagen, was sie hören wollen. Wir sind in einer blöden Situation. Wenn wir uns die Haushaltslage im Bezirk und im Land Berlin ansehen, wissen wir, dass die Stadt das Gelände nicht zurückkaufen wird. Das Geld haben wir nicht. Sollte der grüne Finanzsenator das anders sehen und irgendwo noch 100 Millionen auftreiben können, sind wir sofort gesprächsbereit.

Weil das aber wahrscheinlich nicht passieren wird, sollten wir zumindest noch einmal über die Nutzung der Gebäude sprechen. Wenn wir schon solche riesigen Gebäude genehmigen müssen, dann sollten sie auch zu unseren aktuellen Bedarfen passen. Dann brauchen wir Wohnungen. Zumindest studentisches Wohnen sollte lärmschutzrechtlich realisierbar sein. Wir brauchen auch eine Kita, eine Schule und ähnliche Infrastruktur, das könnte dort Platz finden. Eine Planung mit 70 Prozent Büroräumen halte ich nicht für gelungen. Da muss man nachverhandeln.

 

Das Gespräch führte Carl-Friedrich Höck.