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Ausstellungseröffnung im Kunstquartier Bethanien

„Mühlenhaupt ist eine Gallionsfigur der Kreuzberger Bohème“

Eine neue Ausstellung widmet sich der Kreuzberger Kunstszene in den 60er und 70er Jahren. SPD-Fraktionsvize Frank Vollmert empfiehlt den Besuch und zieht ein Zwischenfazit aus dem Kurt-Mühlenhaupt-Gedenkjahr 2021.

Frank Vollmert ist Bezirksverordneter in Friedrichshain-Kreuzberg und Stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion.

Am vergangenen Freitag wurde die Ausstellung „Die Erfindung Kreuzbergs – Zeit der Bohème in den 1960er und 70er Jahren“ eröffnet. Du warst dabei. Was gibt es dort zu sehen?

Zum einen Bilder von Kurt Mühlenhaupt, aber die Ausstellung zeigt auch einen guten Querschnitt der Kreuzberger Bohème in den 60er und 70er Jahren. Also Arbeiten von ganz verschiedenen Künstlerinnen und Künstlern wie zum Beispiel dem Kollektiv „Werkstatt Rixdorfer Drucke“. Insgesamt sind mehr als 400 Objekte im Kunsthaus Bethanien versammelt. Das ist schon etwas Besonderes, dass die Kreuzberger Bohème dem Publikum in dieser Breite zugänglich gemacht wird.

Inwiefern hat das Thema auch mit deiner Arbeit im Bezirksparlament zu tun?

Ich habe vor zwei Jahren einen Antrag gestellt, dass das Bezirksamt sich aktiv in das Mühlenhaupt-Jahr einbringen soll. Ziel war es, dass zum 100 Geburtstag Kurt Mühlenhaupts in der Öffentlichkeit an ihn erinnert wird. Unter anderem mit einer Gedenktafel an einem der Orte in Kreuzberg, wo er tätig gewesen ist.

Das Bezirksamt hat sich nicht finanziell engagiert, aber zum Beispiel das Kreuzberg-Denkmal für eine Mühlenhaupt-Ausstellung zur Verfügung gestellt. Der Ort im Sockel des Denkmals ist damit zum ersten Mal für Kunst geöffnet. Das ist eine ganz tolle Sache, weil sich das Denkmal und die Bilder gegenseitig befruchtet haben. Ich plane für die nächste BVV schon einen weiteren Antrag, damit der Sockel des Kreuzberg-Denkmals auch längerfristig für Kunstausstellungen zur Verfügung gestellt wird. Ob und wie das möglich ist, sollte das Bezirksamt jetzt prüfen. Da gibt es noch Probleme mit dem Brandschutz, es gäbe also noch ein bisschen was zu tun. Aber die Idee der Mühlenhaupt-Stiftung, den Denkmal-Sockel zu bespielen, war ein sehr guter Wurf.

Kunst und Krempel: Mühlenhaupts Bilder werden inmitten alter Relikte aus der Preußen-Zeit ausgestellt.
Mühlenhaupt-Ausstellung im Sockel des Kreuzberg-Denkmals

Was verbindest du persönlich mit Kurt Mühlenhaupt?

Auf Mühlenhaupt bin ich vor gut elf Jahren gestoßen, indem ich eine Ausstellung im Keller-Atelier von Hugo Hoffmann besucht habe. Das war mein erster Zugang zur Kreuzberger Bohème, seitdem hat mich das Thema nicht losgelassen. Die Vielfalt der Künstlerinnen und Künstler aus dem akademischen und nicht-akademischen Background hat mich fasziniert. An Mühlenhaupt finde ich zum Beispiel spannend, dass er auch das Leben der sogenannten einfachen Leute in Bilder und Grafiken gefasst hat. Mühlenhaupt ist eine Gallionsfigur der Kreuzberger Bohème. Er ist aber auch ein Teil von ihr.

Was macht diese Kunstszene so besonders?

Interessant ist, dass Künstlerinnen und Künstler in Kreuzberg schon in den 60er Jahren einen besonderen Freiraum genossen haben: Sie hatten hier Treffpunkte, konnten ganz verschiedenen künstlerischen Tätigkeiten nachgehen, wurden auch vom Bezirksamt unterstützt. Diese Generation hat den Sockel für die künstlerische Freiheit in Kreuzberg gelegt. In den wilden 80er Jahren konnten andere darauf aufbauen. Und auch die Künstlerinnen und Künstler, die jetzt im Bezirk aktiv sind, profitieren noch davon. Denn die Bohème hat mit dafür gesorgt, dass Kunstfreiheit und -offenheit im Bezirk hochgehalten werden.

Ich fände es schön, wenn man sich auch vonseiten des Landes und Bezirkes umfassend und wissenschaftlich mit der Geschichte der Kreuzberger Bohème beschäftigen würde. Bis jetzt gibt es nur einzelne Betrachtungen von Künstlern, aber nicht in der Gesamtheit der Entwicklungen damals. Heute befinden sich die Zeitzeugen in betagtem Alter. Wenn man sie noch interviewen will, dann muss man sie jetzt befragen und ihre Erlebnisse festhalten.

Mühlenhaupt selbst hat ja auch Treffpunkte für die Künstler-Szene geschaffen und damit zum Austausch beigetragen. Sein Vermächtnis geht daher über sein künstlerisches Werk im engeren Sinne hinaus.

Ja, das stimmt. Bevor er sich auch beruflich ganz der Kunst widmen konnte, war er ein Tausendsassa – mit einem Trödelhandel, Tierzucht und mehr. Seine Trödelhandlung war auch ein Treffpunkt der Künstlerinnen und Künstler. Und dem einen oder anderen hat Mühlenhaupt auch mal finanziell unter die Arme gegriffen.

Das Jahr 2021 ist ein „Mühlenhaupt-Jahr“, weil sich der Geburtstag des Kreuzberger Künstlers zum 100. Mal jährt. Welches Zwischenfazit ziehst du bisher zu dem Gedenkjahr?

Ein Positives. Es wurden schon tolle Veranstaltungen und Ausstellungen auf die Beine gestellt. Die öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema ist größer geworden. Wie gesagt wünsche ich mir, dass man sich jetzt auch noch einmal umfassender mit der Kreuzberger Boheme befasst, auch wissenschaftlich.

Persönlich freut es mich, dass ich mit meiner Fraktion einen Teil zum Gelingen beitragen konnte. Zusammen mit den Abgeordneten Sven Heinemann und Susanne Kitschun haben wir uns mit dafür eingesetzt, dass Lotto-Mittel für das Ausstellungsjahr zur Verfügung gestellt werden. Und auch in der BVV haben wir das Thema mit vorangetrieben.

Mehr Infos:

Die Ausstellung „Die Erfindung Kreuzbergs – Zeit der Bohème in den 1960er und 70er Jahren“ ist derzeit im Kunstquartier Bethanien zu sehen.
http://kunstquartier-bethanien.de/studio-1-aktuelles

Aktuelle Veranstaltungen des Mühlenhaupt-Museums finden Sie hier:
https://www.muehlenhaupt.de/veranstaltungen

Das Gespräch führt Carl-Friedrich Höck