Die SPD-Fraktion in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg spricht sich dagegen aus, den Kreuzberger Wein in „01001011“ umzubenennen. Mit dem Binärcode will das Bezirksamt den Computer-Erfinder Konrad Zuse ehren. Der Vorgang ist aus mehreren Gründen problematisch. Unter anderem wirft Zuses Kooperation mit der NS-Diktatur Fragen auf.
Zum Hintergrund: Das Bezirksamt hat in seiner Sitzung vom 13. April 2021 beschlossen: Der neue Name des Kreuzberger Weins soll „01001011“ lauten. Das entspricht als Binärcode dem Buchstaben K von Kreuzberg. Wie das Bezirksamt in einer Vorlage für die BVV mitteilt, verweist die Zahlenkombination auf den Ingenieur Konrad Zuse. Auf dem Grundstück Methfesselstraße 10, wo jetzt die Reben wachsen, habe Zuse mit dem Z3 den ersten binären Digitalrechner erfunden.
Der Kreuzberger Wein hat seinen Ursprung im Jahr 1968. Im Rahmen der Städtepartnerschaft schenkte die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden dem Bezirk Kreuzberg die ersten Rieslingreben. Zwei Jahre später kam Spätburgunder aus dem rheinhessischen Ingelheim nach Kreuzberg. Bisher waren die Weine als „Kreuz-Neroberger“ und „Kreuz-Ingelberger“ in Umlauf, was auf die Partnergemeinden verwies. Laut Bezirksamt können diese Namen aber nicht mehr verwendet werden, da sie zu deutlich auf die Herkunft des Weines schließen lassen und damit den geltenden rechtlichen Bestimmungen widersprechen.
Die SPD-Fraktion hält den vom Bezirksamt ausgewählten Namen vor allem aus zwei Gründen für problematisch:
Die Entscheidung ist ignorant. Der Wein ist ein Symbol für die Städtepartnerschaften mit Wiesbaden und Ingelheim am Rhein. Daher wäre es angemessen gewesen, dass diese Kommunen und der Partnerschaftsverein bei der Umbenennung einbezogen werden. Das ist aber nach Kenntnis der SPD-Fraktion nicht geschehen, was in den betroffenen Gemeinden auch großes Unverständnis ausgelöst hat. Ein wertschätzender Umgang mit den bestehenden Städtepartnerschaften sieht anders aus!
Die Entscheidung ist brisant. Der Computer Z3 wurde von Zuse im Jahr 1941 entwickelt. Die Tätigkeiten Konrad Zuse als Ingenieur, Erfinder und Unternehmer während des Nationalsozialismus sind historisch noch nicht abschließend bewertet. Bekannt ist, dass er unter anderem seine Fähigkeiten aktiv bei der Entwicklung von Gleitbomben und Lufttorpedos einbrachte und Anwendungsmöglichkeiten seiner „Computer“ in der erbbiologischen Forschung suchte.
Die Schattenseiten in der Biografie Zuses sind längst kein Geheimnis mehr. Anlässlich des 100. Geburtstages von Zuse im Jahr 2010 wurden sie auch in den Medien thematisiert. So schrieb die Süddeutsche Zeitung über Zuses Verwicklung in Nazi-Strukturen: Seine Fähigkeiten hätten ihm Privilegien verschafft. So sei Zuse als „unabkömmlich“ eingestuft worden, was ihm einen Einsatz an der Ostfront erspart habe. „Stattdessen entwickelt er für die Henschel-Werke zwei Computer, die die Flugeigenschaften von Gleitbomben verbessern. Er darf mitten im Krieg seine eigene Firma gründen. Ihm werden, wie Zuse es nennt, ‚Fremdarbeiter‘ zugeteilt. Und er kann weiter an seiner geliebten Z3 bauen.“
Spiegel Online berichtete im selben Jahr: „Stärker als bisher angenommen war der Bauingenieur Teil der NS-Rüstungsindustrie. Seine Rechner galten als wichtig für den ‚Endsieg‘, seine Firma war ein ‚Wehrwirtschaftsbetrieb‘. Das Luftfahrtministerium bestellte 1943 einen Rechner per Kriegsauftrag mit der Dringlichkeit ‚SS‘ (‚Sonderstufe‘). Dokumente belegen: Rüstungsbetriebe und NS-Institutionen finanzierten Zuses Computer mit über 250 000 Reichsmark.“
Es lässt sich zudem darüber streiten, ob „01001011“ ein griffiger Name für einen Wein ist. Die SPD-Fraktion ist sicher: Hier fällt dem Bezirk im Dialog mit den Partnergemeinden sicher noch etwas Besseres ein.
Pressemitteilung der SPD-Fraktion in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg – Berlin, den 21.06.2021