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Markant: Der Postbank-Tower am Halleschen Ufer (Archivaufnahme).

Dahl zum Postscheckareal: „Ich hätte mir mehr Wohnungen gewünscht“

Nach jahrelangem Ringen darf am Halleschen Ufer gebaut werden. Der SPD-Verordnete John Dahl erklärt, warum über das Projekt so lange verhandelt wurde – und was das Bezirksparlament dabei erreicht hat.

John Dahl ist Vorsitzender des Ausschusses für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen der BVV.

Am Halleschen Ufer soll rund ums ehemalige Postscheckamt ein neues Quartier entstehen: mit 400 Wohnungen, Gewerbe und einer Kita. Was kannst du aus dem Bezirksparlament zum aktuellen Stand berichten?

Die BVV hatte dem Stadtplanungsausschuss quasi die Kompetenz übertragen, die Planreife festzustellen, also das Baurecht zu billigen. Das haben wir jetzt getan und dafür extra eine Sondersitzung im Freien abgehalten. Nach der „Feststellung der Planungsreife“ kann nun eine Baugenehmigung erteilt werden, obwohl der Bebauungsplan formal noch nicht in Kraft getreten ist. 

Ist das Bauprojekt eine gute Nachricht für den Bezirk oder entstehen hier eher Luxuswohnungen und teure Büros, die letztlich die Gentrifizierung vorantreiben?

Die Planungen haben sich mehrmals gewandelt. Die Wohnungen werden jetzt größtenteils von der landeseigenen Degewo gebaut. Diese Wohnungen sind also in öffentlicher Hand, und das ist eine gute Nachricht. Ich hätte mir allerdings mehr Wohnungen gewünscht, notfalls auch privat finanzierte, weil wir insgesamt mehr Wohnungen brauchen. Aber über das Projekt wird ja nun schon seit langer Zeit diskutiert, und irgendwann müssen auch mal Beschlüsse gefasst werden, damit es ein Ergebnis gibt.

John Dahl ist Mitglied der SPD-Fraktion in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg und Vorsitzender des Stadtplanungsausschusses.

Du sprichst die lange Debatte an. Wie sahen die ersten Pläne für das Postscheckamt aus und was konnte der Bezirk in den Verhandlungen erreichen?

Ursprünglich hatte die CG-Gruppe das Areal gekauft, das einst der Postbank gehört hat. Die wollte dort zunächst ein überwiegendes Wohnquartier errichten und in dem Turm Mini-Apartments errichten für Menschen, die vorübergehend hier beruflich zu tun haben – sodass sie nicht ins Hotel ziehen müssen, sondern für einige Monate möbliert hier wohnen können. Für uns als BVV war natürlich die Frage, was man aus dem Vorhaben für die Menschen im Bezirk rausholen kann. Uns ging es vor allem darum, Wohnungen für die öffentliche Hand zu sichern, die sich auch Menschen mit kleineren Einkommen leisten können.

Eigentlich hatten wir mit der CG-Gruppe schon einen Kompromiss gefunden, der ganz gut war. Der Kompromiss wurde aber wieder aufgelöst, weil mit Florian Schmidt ein neuer Baustadtrat ins Amt gekommen war. Schmidt wollte noch ein paar Sonderwünsche durchsetzen. Also wurde das Paket wieder aufgeschnürt – was der Investor Gröner gerne gemacht hat, weil er so weniger Wohnungen zur Verfügung stellen musste. In der Zwischenzeit waren Gewerbeflächen nämlich gewinnträchtiger geworden. Man kann Gewerbe dichter bauen als Wohnungen, und Gewerbemieten werden auch nicht vom Staat reglementiert.

In den Medien ist nachträglich daraus ein Konflikt zwischen Schmidt und Gröner konstruiert worden. Das Bild von Schmidt, der gegen den großen Kapitalisten kämpft, war aber etwas schräg. Denn der Konflikt war Produkt dessen, dass Schmidt den von ihm ausgehandelten Kompromiss nicht in der BVV durchsetzen konnte, da er für den Bezirk schlechter war.

SPD, Grüne und Linke haben zwar grundsätzlich gemeinsam mit dem Investor um eine bessere Lösung für den Bezirk gerungen. Aber auch untereinander gab es verschiedene Ansichten. Wo unterschieden sich die Positionen der Fraktionen?

Die Konflikte kamen erst zum Schluss auf, als der dritte Deal auf dem Tisch lag. Der ist zwar insofern eine Verbesserung, als jetzt mehr Wohnungen für die Degewo vorgesehen sind. Aber die Gesamtzahl der Wohnungen liegt unter dem, was ursprünglich mal ausgehandelt worden war. Dafür darf der Bauträger mehr Gewerbe errichten, womit das Projekt für ihn insgesamt lukrativer geworden ist. Wir als SPD-Fraktion denken, da hätte man mehr erreichen können. In der Zwischenzeit waren Gewerbeflächen nämlich gewinnträchtiger geworden. Man kann Gewerbe dichter bauen als Wohnungen, und Gewerbemieten werden auch nicht vom Staat reglementiert. Die Verhandlungen sind leider vom Bezirk nicht immer stringent und zielorientiert geführt worden. Aber der Drops ist gelutscht. Und unterm Strich sind wir froh, dass nun dringend benötigte Wohnungen entstehen, auch wenn man mehr hätte erreichen können. 

Ein Bündnis kritisiert, das Bauprojekt zerstöre wertvolle Stadtnatur. So würden Bäume und Sträucher entfernt, wie Habitate für Vögel und andere Kleintiere seien. Ist die Kritik berechtigt?

Grundsätzlich begrüße ich das Engagement für die Stadtnatur. Ich bin selbst Hobby-Ornithologe und mag Vögel sehr. Hier ist es aber so, dass sich die Vögel vor allem deshalb ungestört ausbreiten konnten, weil nach dem Auszug der Postbank das Gelände längere Zeit brach lag. Trotzdem ist das kein Naturschutzgebiet, sondern ein fast komplett versiegeltes Kerngebiet. Natürlich gibt es hier und da etwas Begleitgrün oder einen Mauerbrüter, der an der Garageneinfahrt sein Nest gebaut hat, weil dort keine störenden Autos mehr reinfuhren. Das begründet für mich aber noch keine Umkehr der Verhältnisse, sodass man jetzt das Areal zum Naturschutzgebiet erklären muss.

Wie geht es jetzt weiter?

Ich hoffe, dass nun schnell gebaut werden kann, denn die neuen Wohnungen werden im Bezirk dringend benötigt. Mittlerweile hat die CG-Gruppe das Projekt abgegeben. Das Unternehmen Art Invest soll jetzt das Gewerbe errichten und die landeseigene Degewo die Wohnungen. Die neue Planung sieht vor, dass die Gewerbebauten die Wohnungen vom Verkehrslärm am Halleschen Ufer abschirmen. Beides hängt also zusammen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch führte Carl-Friedrich Höck