• Menü
Sebastian Forck

„Wir machen die Geschäftsordnung Corona-fit“

Die BVV am Mittwoch hat nur einen einzigen Tagesordnungspunkt: Eine Änderung der Geschäftsordnung. Die Sitzung findet im Freien statt. Was es damit auf sich hat, erklärt der Vorsitzende der SPD-Fraktion Sebastian Forck.


Die Bezirksverordneten treffen sich morgen trotz November-Kälte auf einem Sportplatz unter freiem Himmel, um eine Änderung der Geschäftsordnung (GO) zu beschließen. Wozu dieser Aufwand?

Sebastian Forck: Wir wollen die Geschäftsordnung der BVV Friedrichshain-Kreuzberg Corona-fit machen. Die Geschäftsordnung regelt die Abläufe in der BVV und ist damit Grundlage für unsere gesamte Arbeit. Deshalb gibt es hier auch besonders hohe Hürden, wenn wir sie ändern wollen: Dafür benötigen wir eine Zweidrittelmehrheit aller gewählten Bezirksverordneten. Leider können wir das nicht per Briefwahl machen. Deshalb müssen wir tatsächlich physisch zusammenkommen. Und zwar auf einem Sportplatz, damit wir das Ganze Corona-sicher durchführen können.

In den vergangenen Monaten haben bereits Fachausschüsse per Video-Konferenz getagt. Für BVV-Sitzungen hatten die Fraktionen ein Pairing-Verfahren vereinbart: Jede Fraktion hat nur etwas mehr als die Hälfte ihrer Mitglieder entsandt. Was wird sich mit der neuen Geschäftsordnung ändern?

Erstmal nichts Grundlegendes. Denn dass wir bisher keine Online-BVV-Sitzungen abgehalten haben, lag weniger an unserer Geschäftsordnung als an der allgemeinen Rechtslage. Die Landesebene will das Bezirksverwaltungsgesetz aber ändern. Und mit der neuen Geschäftsordnung legen wir die Basis, damit wir zusätzliche Instrumente sofort nutzen können, sobald das Land Berlin sie rechtlich ermöglicht hat. Die neue Geschäftsordnung wird festhalten, dass im Falle einer außergewöhnlichen Notlage die BVV- und Ausschusssitzungen auch als Video-Konferenz abgehalten werden können. Ebenso erlaubt werden Hybrid-Sitzungen, bei denen ein Teil der Verordneten vor Ort ist und andere Verordnete sich per Bildschirm dazuschalten.

Wann ist mit dem neuen Gesetz zu rechnen, sodass auch per Online-BVV rechtssichere Beschlüsse gefasst werden können?

Das sollte bereits in den letzten Zügen liegen. Ich rechne damit, dass wir Anfang nächsten Jahres einen Beschluss der Landesebene haben, der uns den Online-Ablauf von Bezirksverordnetenversammlungen ermöglicht. Man darf nicht vergessen: Wenn die BVV zum Beispiel einen Bebauungsplan beschließt, hat das weitreichende rechtliche Auswirkungen und betrifft auch die Belange Dritter. Wir müssen also sichergehen, dass die Beschlüsse der BVV rechtlich wasserdicht sind und nicht von Gerichten infrage gestellt werden können. Darum können wir nicht einfach nach Lust und Laune mit Online-Abstimmungen experimentieren. Sondern wir brauchen zuerst eine Grundlage im Bezirksverwaltungsgesetz.

Auf dieser Basis können wir dann per Geschäftsordnung die Details regeln: Wie übertragen wir das auf die BVV Friedrichshain-Kreuzberg? Auf welche Art und Weise finden die Beratungen statt? Und wie werden „außergewöhnliche Notlagen“ definiert und festgestellt, die rechtfertigen, dass wir abweichende Verfahren wie Online-BVV-Sitzungen nutzen? All das steht in der Änderung der Geschäftsordnung mit drin. Genau genommen ändern wir sie nicht, wir erweitern sie.

Was sagt denn die neue Geschäftsordnung dazu, wie Abstimmungen künftig gehandhabt werden sollen?

Zu den Abstimmungen selbst enthält sie relativ wenige Details, weil die Landesebene dazu Vorgaben machen wird. Es wird aber klargestellt, dass Abstimmungen auf Antrag auch im Schriftlichen Verfahren durchgeführt werden können. Sofern sich kein Widerspruch regt, können Abstimmungen nach der neuen GO auch online durchgeführt werden – entweder, indem die Voten der Fraktionen oder der einzelnen Verordneten offen abgefragt werden, oder durch eine entsprechende Funktion des Videokonferenzsystems.

Ich vermute aber, dass es für rechtlich relevante BVV-Beschlüsse auch nach einer Gesetzesänderung nötig sein wird, persönlich vor Ort oder dann eben per Briefwahl abzustimmen. Für Abstimmungen in den Fachausschüssen ist das nicht zwingend nötig, und auch manche BVV-Beschlüsse wie Resolutionen haben ja eher eine symbolische als eine rechtlich bindende Wirkung. Bisher haben wir es in den Ausschüssen schon so gehandhabt, dass wir per Video-Konferenz abgestimmt haben. Nur gab es dafür in der Geschäftsordnung keine Basis. Mit der neuen Geschäftsordnung haben wir ein klares Prozedere festgelegt, sodass wir uns nicht mehr alle 14 Tage im Ältestenrat treffen müssen, um auf das aktuelle Geschehen zu reagieren. Sondern wir haben dann einen Baukasten, aus dem wir unsere Instrumentarien herausziehen können, je nach Situation.

Gegen Baustadtrat Florian Schmidt liegen mehrere Abwahlanträge vor. Diese konnten mit dem bisher praktizierten Pairing-Verfahren nicht abgestimmt werden. Denn um ein Bezirksamtsmitglied abzuwählen, müssen 37 von 55 Bezirksverordneten dem zustimmen. Wie geht es denn jetzt hiermit weiter?

Das muss leider noch zurückgestellt werden, bis das Bezirksverwaltungsgesetz geändert wurde. Andernfalls müssten wir trotz Corona eine BVV mit voller Besetzung abhalten. Das machen wir zwar jetzt für die Geschäftsordnung auch, aber da stimmen wir nur zügig einen Antrag ab, bei dem sich die Fraktionen im Wesentlichen einig sind. Bei Abwahlanträgen ist dagegen vorher eine Debatte zwingend vorgeschrieben, und die würde wohl auch länger dauern. Das macht so kurz vor Weihnachten unter freiem Himmel einfach wenig Sinn. In Zukunft können wir die Debatte hoffentlich in virtueller oder hybrider Form durchführen und anschließend per Briefwahl abzustimmen. Das ist dann hoffentlich zu Beginn des neuen Jahres möglich.

Der gemeinsame Antrag von Grünen/Linke/SPD/CDU/Die Partei/FDP zur „Änderung der Geschäftsordnung: Abweichende Verfahren in außergewöhnlichen Notlagen” ist auf der Website der BVV Friedrichshain-Kreuzberg dokumentiert.