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Peggy Hochstätter zum „Radwegestopp“: „Wir haben ein geltendes Mobilitätsgesetz, daran muss sich auch eine Manja Schreiner halten!“

Der von der Berliner Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) verordnete „Radewege-Bau-und-Planungsstopp“ stößt auf breite Kritik. Nicht nur seitens der Berliner Radfahrer:innen, dem ADFC Berlin, den Initiativen Changing Cities und Fridays for Future regt sich Protest, sondern auch von politischer Seite. In der letzten BVV brachten wir gemeinsam mit der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Antrag und eine Resolution für eine zukunftsgerichtete Mobilitätswende und gegen den „Radwegestopp“ ein. Zu den Hintergründen sowie der Bedeutung des beschlossenen Antrages und der Resolution, den finanziellen Konsequenzen des Radewegestopps, Manja Schreiners Versuch, sich gegen die Kritik am „Radwegestopp“ zu verteidigen und der Überprüfung durch das Rechtsamt Friedrichshain-Kreuzberg äußert sich die Vorsitzende des Ausschusses für Verkehr und Ordnung und Sprecherin für Fahrrad- und Fußverkehr Peggy Hochstätter in diesem Interview.

Du positionierst Dich in Deinem Antrag und Deiner Resolution gegen den von der Berliner Verkehrssenatorin verordneten „Radwegestopp“. Warum, was sind die Hintergründe?

Peggy Hochstätter: Seit vielen Jahren schon streite ich für mehr Schulwegsicherheit. Auch in diesem Fall ist das mein Antrieb. Kinder sind die schwächsten Verkehrsteilnehmer*innen ab 10 Jahren dürfen nicht mehr auf dem Gehweg fahren, müssen also auf die Straße ausweichen. Die Gefahren, die das auf unseren Straßen mitbringt, sind offensichtlich.
Hinzukommt, dass Kinder eben anders sehen, anders hören als Erwachsene. Auch das Gefahrenbewusstsein entwickelt sich erst spät. Geschwindigkeiten zu beurteilen, fällt ihnen zudem sehr schwer. Selbst mit 14 Jahren ist diese Entwicklung noch nicht abgeschlossen und so ist ihre Einschätzung z.B. von Bremswegen entsprechend unpräzise. Auch ihre geringere Körpergröße kann sich eben gefährlich auswirken, weil ihr Sichtfeld durch Büsche oder parkende Autos versperrt ist.

Welche konkreten Konsequenzen hat der „Radwegestopp“ für die Xhainer:innen und die Mobilitätswende? Welche finanziellen Folgen ergeben sich für eingeworbene Fördermittel vom Bund, wenn der Bau bereits geplanter Radwege gestoppt wird?

Peggy Hochstätter: Werden bis Ende des Jahres die Fördergelder nicht verbaut, verfallen sie. Der Bundesfinanzminister hat zudem schon angekündigt, dass die Bundesfördermittel für die Radinfrastruktur auf weniger als die Hälfte zusammengestrichen werden. Wir können also fest davon ausgehen, werden die Fördergelder nicht abgerufen, werden wir sie im kommenden Jahr auch nicht nochmal bekommen. Deshalb ist es wirklich sträflich bis unprofessionell, was die neue Berliner Verkehrssenatorin hier macht. Ihre sogenannte Priorisierung ist faktisch ein Stopp des Ausbaus der Radinfrastruktur auf Dauer. Hinzukommt die Verschwendung von Steuergeldern, denn schließlich ist in die verschiedenen Projekte schon viel Geld, viel Planungsleistung, viel Arbeit geflossen. Aber die Verschwendung von Steuergeldern ist ja nichts, was wir nicht schon von der Berliner CDU kennen.

Die Berliner Verkehrssenatorin Manja Schreiner äußert sich zu der Kritik wie folgt: „Wir machen keine Politik für das Auto, wir machen keine Politik gegen das Auto, wir machen eine Politik mit dem Auto.“ Wie würdest Du darauf antworten?

Peggy Hochstätter: Das ist für mich ideologisches Gequatsche, anders kann ich es nicht nennen. Wir haben eine Klimakrise, wir haben gerade im Innenstadtbereich sehr eng bebauten, im Sommer aufgeheizten Kiezen mit viel zu wenig Grünflächen, Bäumen, Raum für Menschen, sodass der Raum für Verkehr eben an seine Grenzen stößt. Dieser Raum kann nur einmal vergeben werden. Da darf man sich und anderen nichts vormachen. Will man gesicherte Radwege, die übrigens auch zu gesicherten Fußwegen führen, muss man diesen Raum irgendwo hernehmen. Da dem motorisierten Verkehr die größte Fläche gehört, obwohl in unserer Stadt eben nur ein Bruchteil der Menschen das Auto nutzt, muss man eben genau dort den Raum verknappen.

Das Rechtsamt Friedrichshain-Kreuzberg stellte den „Radwegestopp“ auf den Prüfstand und verkündete das Ergebnis letzte Woche. Was hat die rechtliche Überprüfung ergeben und wie sind die Ergebnisse zu bewerten? Was kann der Bezirk außerdem unternehmen, um gegen den „Radwege-Bau-und-Planungsstopp“ vorzugehen?

Peggy Hochstätter: Das Rechtsamt hat nach seiner Überprüfung Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Senatsverwaltung, alle bisherigen Finanzierungszusagen für Radverkehrsprojekte temporär außer Kraft zu setzen. Sehr interessant, wie ich finde. Es deutet ja auch daraufhin, dass sich die Senatsverwaltung nicht einmal vorher informiert hat, welche Folgen ein solch ideologisch motivierter Move hat. Oder es ist ihr sogar gleichgültig.

Für 2023 besteht ein vom Abgeordnetenhaus beschlossener Doppelhaushalt, der zu vollziehen und zu beachten ist – auch von einer Autosenatorin. Wir haben ja auch ein geltendes Mobilitätsgesetz, dass die Stärkung des Verkehrs zugunsten des Fahrrads vorsieht – daran muss sich auch Manja Schreiner halten.

Dein Antrag „Bauen, Bauen, Bauen! Sicherheit statt Ideologie in der Verkehrspolitik“, den Du gemeinsam mit der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eingebracht hast, wurde in der letzten BVV beschlossen. Was heißt das? Wie geht es mit dem Antrag weiter?

Peggy Hochstätter: Unser gemeinsamer Antrag stärkt dem Bezirksamt den Rücken und beauftragt es, alle bereits abgestimmten bzw. finanzierten Verkehrsprojekte zur Verbesserung des Fuß- und Radverkehrs auch weiter umzusetzen und sich gleichzeitig bei der Senatsverwaltung gegen diese destruktive Blockadehaltung einzusetzen.

Das Gespräch führte Julia Dutschke