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John Dahl und die S-Bahn-Trasse neben dem Holzmarkt, hinter der das "Wissenswerk" entstehen soll (Fotomontage)

John Dahl zu Bauprojekt Wissenswerk: „Es muss gleiches Recht für alle gelten“

Die Pläne für das „Eckwerk“ neben dem Holzmarkt sind gescheitert, nun soll ein „Wissenswerk“ gebaut werden. Der SPD-Verordnete John Dahl berichtet, was bisher bekannt ist.

John Dahl (SPD) ist Vorsitzender des Ausschusses für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen der BVV Friedrichshain-Kreuzberg.

Am Spreeufer zwischen Holzmarktstraße und Michaelbrücke soll das sogenannte „Wissenswerk“ entstehen. Am Mittwoch wurden erste Pläne im Stadtplanungsausschuss vorgestellt. Kannst du sie kurz für uns zusammenfassen?

John Dahl: Die Schweizer Abendrot-Stiftung als Eigentümerin, die das Grundstück ursprünglich an die Holzmarkt-Genossenschaft verpachtet hatte, hat jetzt andere Entwickler herangezogen. Da die Holzmarkt-Genossenschaft beim Bezirksamt immer wieder gegen verschlossene Türen gerannt ist. Jetzt entwickelt die Kilian-Gruppe das Projekt gemeinsam mit der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft WBM.

Im Wesentlichen orientiert sich das neue Konzept an den Vorgaben des alten Bebauungsplans. Der galt schon für das Grundstück, als es noch der BSR gehörte. Nach dem erfolgreichen Bürgerentscheid „Spreeufer für alle“ sollte der Bebauungsplan eigentlich ein bisschen abgerüstet werden, was die zulässigen Baumassen betrifft. Aber das Verfahren ist über die Jahre ins Stocken geraten, weshalb wir immer noch keinen neuen B-Plan haben.

Der alte B-Plan weist ein sogenanntes Kerngebiet aus. Dort überwiegt üblicherweise die Gewerbenutzung und ausnahmsweise können auch Wohnungen gebaut werden. Die jetzt vorgestellten Pläne sehen 75 Prozent Gewerbe und 25 Prozent Wohnen vor.

Optisch wird das Bauprojekt von drei großen Türmen geprägt …

Das stimmt. Auf der anderen Straßenseite gibt es bereits ein Bauwerk, das eine ähnliche Kubatur hat mit drei finnenförmigen Türmen. Diese greift das Projekt auf. Nur soll beim Wissenswerk eine der drei Finnen nicht quer zur Spree stehen, sondern längs dem Bogen der Spree folgen.

Die benachbarten „Triassic Towers“ ähneln der Kubatur, die auch neben dem Holzmarkt geplant ist.

Das Grundstück hat eine längere Vorgeschichte: Ursprünglich hatte die Holzmarkt-Genossenschaft hier das „Eckwerk“ geplant. Die Grundidee war ganz ähnlich: Mehrere Hochhäuser mit Wohnen und Gewerbe. Doch das Bezirksamt hat die Pläne nicht mitgetragen. Was macht das neue Baukonsortium anders?

Zum einen ist die Architektur des geplanten Bauwerkes in sich gedrungener. Es bewegt sich in den Höhenvorgaben des alten B-Plans, während die Eckwerk-Pläne eine andere Verteilung der Kubatur vorgesehen hatten. An sich wäre das die interessantere Architektur gewesen. Jetzt plant man eben zweckmäßige Klötze, wie sie drumherum auch schon überall herumstehen.

Das Hauptproblem war aber, dass die Eckwerk-Leute ein Konzept hatten, mit dem man die Gebäude je nach Bedarf für Wohnen oder Gewerbe hätte nutzen sollen. Sie wollten sich also nicht gleich festlegen, auf welchen Flächen die Wohnungen entstehen. Das war politisch vom Ausschuss gewollt, aber für die Verwaltung nicht darstellbar. Ein großes Problem war der Lärmschutz, zumal hier auch eine S-Bahn-Trasse und eine laute Straße inkl. Kreuzung entlangläuft. Und Florian Schmidt fühlte sich an die Verabredungen mit seinem Vorgänger nicht gebunden.

Jetzt hat man mit den neuen Plänen eine klare Zuordnung. Das Lärmproblem ist das gleiche, aber man kann planerisch darstellen, wo man mit dickem Glas und anderen Schallschutz-Maßnahmen die sogenannten lebenswerten Wohnverhältnisse herstellt. Im Turm direkt neben dem Holzmarkt wird es keine Wohnungen geben, was Konflikte vermeidet, denn auf dem Holzmarkt kann es ja durchaus mal lauter werden.

Die landeseigene WBM ist an dem Projekt beteiligt und will neue Wohnungen schaffen. Was ist dazu schon bekannt?

Das sind keine herkömmlichen Wohnungen. Die WBM plant eine Art Wohngemeinschaften, die aus je vier bis fünf Einzelzimmern unterschiedlicher Größe bestehen und dazu Gemeinschaftsflächen haben. Man kann also ein Zimmer mit Toilette und Dusche mieten, teilt sich aber die Küche mit anderen – quasi wie in einem Studentenwohnheim. Unklar blieb, in welchem Preisrahmen sich die WBM da bewegt. Das Problem ist: Wer an so einer Stelle Wohnungen haben will, muss viel Geld in den Schallschutz investieren. Deshalb kann ich mir kaum vorstellen, dass die Wohnungen preisgünstig werden.

Die WBM spricht zwar von studentischem Wohnen, will die Einheiten aber unbefristet vermieten, was nicht so recht zusammenpasst. Wahrscheinlich wird es eher temporäres Wohnen für Leute, die in Berlin an irgendwelchen Projekten arbeiten. Die können dann auch mehr Geld aufbringen, um ein möbliertes Zimmer plus Küche zu mieten. Meine Vermutung ist, dass dort nicht allzu viele Student*innen wohnen werden und „studentisches Wohnen“ eher ein Label ist, um das Vorhaben politisch zu bewerben. Wenn man das richtig angehen will, müsste man eigentlich das Studentenwerk ins Projekt mit reinnehmen.

Kritiklos stehst du dem Projekt offenbar nicht gegenüber. Aber was hältst du grundsätzlich von dem Vorhaben? Und wie hat der Stadtplanungsausschuss auf die vorgestellten Pläne reagiert?

Der Ausschuss hat eigentlich gar nicht reagiert. Die Grünen haben sich kaum zu Wort gemeldet und die Linksfraktion will das Projekt erst noch fraktionsintern besprechen. Was mich betrifft: Im Grundsatz sind die Pläne in Ordnung. Das Grundstück war schon immer eine Gewerbefläche und lässt sich auch nur schwer für Wohnungen nutzen.

Mir ist aber wichtig, dass der Bezirk mit dem Baurecht nicht willkürlich umgeht. Wenn der Stadtrat sagt: Wir können uns auf der einen Seite der S-Bahn in den Vorgaben des alten Bebauungsplans bewegen, dann muss das auf der anderen Seite für die Holzmarkt-Leute auch gelten. Denen wird ja immer wieder gesagt: Wir stellen dies und das zurück, weil es gegen den angedachten neuen B-Plan verstoßen würde. Die Umstände sind beim Wissenswerk dieselben, nur heißt es hier: Alles nicht so wild. Deshalb habe ich einen BVV-Antrag vorbereitet, dass bitte gleiches Recht für alle gelten soll.

Baustadtrat Florian Schmidt hat im Planungsausschuss auf ein schnelles Signal der BVV gedrängt, ob das Vorhaben weiterverfolgt werden soll. Wie sehen die nächsten Schritte aus bis zu einem möglichen Baubeginn?

Die Projektentwickler haben einen Bauvorbescheid beantragt. Wenn das Bezirksamt der Ansicht ist, dass sich die Pläne innerhalb des rechtlichen Rahmens bewegen, muss es den Vorbescheid bewilligen. Wenn das Bezirksamt aber sagt: „Nein, das geht nicht, weil es den Zielen des künftigen B-Plans entgegensteht“, müssen sie das Ganze zurückstellen. Aber den neuen B-Plan treibt im Bezirksamt schon lange niemand mehr voran. Insofern wäre es seltsam, den jetzt als Begründung heranzuziehen, um das Bauprojekt zu blockieren.

Das Gespräch führt Carl-Friedrich Höck