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SPD-Fraktionsvizin Sevim Aydin vor der Markthalle Neun

„Das Ringen um die Markthalle Neun wird weitergehen“

Mit dem Auszug von Aldi ist die Debatte um die Markthalle Neun nicht vorbei, meint SPD-Fraktionsvizin Sevim Aydin. In der BVV stellt sie eine Anfrage zum Ankauf eines benachbarten Mietshauses durch die Markthallenbetreiber.

Sevim Aydin ist stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg.

Sevim, du hast dich seit Langem für den Erhalt eines preiswerten Lebensmittelhändlers in der Markthalle Neun engagiert. Trotzdem kam jetzt die Nachricht: Der Aldi muss ausziehen und wird durch eine Drogerie ersetzt. Ist der Kampf damit verloren?

Der Kampf um die Markthalle Neun ist nicht verloren. Wir müssen weiter dafür kämpfen, dass zumindest ein vergleichbarer Einzelhandel hineinkommt. Der „dm“ war nie Teil eines Konzeptes für die Markthalle. Eine Markthalle muss zuallererst ein kleinteiliges Lebensmittelangebot garantieren, mit dem die Anwohnenden ihren täglichen Bedarf decken können. Dafür sind Markthallen ursprünglich geschaffen worden. Die Markthalle Neun ist heute aber hauptsächlich eine Touristenattraktion. Die Anwohnenden müssen den Lärm und den Verkehr ertragen, aber ein Teil von ihnen nutzt die Halle gar nicht, weil sie sich die Produkte dort schlicht nicht leisten können. Das ist nicht der Sinn der Sache. Für manche war der Aldi bisher der einzige Grund, dort hinzugehen.

Manche sagen: Gute und nachhaltig produzierte Lebensmittel sind nun einmal teuer und die Kund*innen sollten das Geld lieber an anderer Stelle einsparen. Wie stehst du dazu?

Erstens ist mir wichtig, dass wir den Menschen nicht von oben herab verordnen, was sie essen sollen. Für mich gehört zur persönlichen Entscheidungsfreiheit, dass man auch selbst bestimmen kann, welche Lebensmittel man kaufen möchte. Natürlich müssen wir unsere Ernährungsgewohnheiten auch hinterfragen, uns für mehr Klimaschutz und Ökologie einsetzen. Das ist aber ein Prozess, der Zeit braucht und nicht von heute auf morgen funktioniert. Wir überzeugen die Menschen nicht, wenn wir sie gleichzeitig vor den Kopf stoßen.

Zweitens: Ich habe gar nicht den Eindruck, dass es den Markthallenbetreibern beim Konflikt um den Aldi in erster Linie um ökologische Nachhaltigkeit geht. Sonst könnte man zum Beispiel einen verpackungsfreien Supermarkt hier ansiedeln anstatt einer Drogerie.

Drittens haben hier im Kiez gar nicht alle Menschen die Wahl: Gebe ich lieber etwas mehr Geld für den Wocheneinkauf aus und verzichte dafür auf einen Kinoabend? Menschen mit niedrigen Einkommen müssen sowieso ständig sparen, besonders wenn sie Kinder haben. Denen können wir nicht einfach erzählen: Du musst jetzt fünf Euro für ein paar Tomaten ausgeben, sieben Euro für ein Brot oder 40 Euro für ein Kilo Fleisch. Das ist lebensfremd.

Am Freitag wollen Anwohnende gegen den Auszug von Aldi demonstrieren. Du stehst mit ihnen in Kontakt. Wie ist denn aktuell die Stimmung?

Viele sagen, sie werden die Markthalle nicht mehr betreten. Aldi geht, aber das Ringen um die Markthalle wird weitergehen. Die Anwohnenden haben mit dafür gesorgt, dass die Markthallenbetreiber die Halle zu günstigen Konditionen übernehmen konnten. Mit dem Ergebnis sind viele aber nicht zufrieden. Denn sie haben das Gefühl: Für sie ist das Markthallen-Sortiment nicht gedacht.

Du stellst im Bezirksparlament eine Anfrage zum Ankauf der Wrangelstraße 23 durch die Markthallenbetreiber. Worum geht es dabei und was möchtest du herausfinden?

Wir haben kurz nach der Kündigung des Aldi-Marktes erfahren, dass die Betreiber der Markthalle das Mietshaus in der Wrangelstraße 23 gekauft haben, zusammen mit dem Grundstück Eisenbahnstraße 40-41. Es stellte sich heraus, dass das Eigentum in zwei Teilverkäufen übertragen worden ist an die „Eisenbahn GbR“. Dessen Gesellschafter sind gleichzeitig die Geschäftsführer der Markthalle Neun. Ich finde den Vorgang merkwürdig: Warum hat man das Ganze mit zwei Teilverkäufen zu jeweils 50 Prozent gemacht? Wollte man damit das Vorkaufsrecht umgehen? Der erste Teilverkauf fand schon im August 2019 statt, im Oktober 2020 wurde das Eigentum im Grundbuch eingetragen. Nach der aktuellen Aldi-Kündigung ist herausgekommen, dass ein zweiter Kaufvertrag abgeschlossen worden ist mit den drei Markthallenbetreibern, das war am 29. März 2021.

Wir fragen jetzt nach, ob das Vorkaufsrecht ausgeübt wird und ob die Mieter*innen damals über den ersten Teilverkauf ihres Hauses informiert worden sind. Wichtig ist jetzt zu erfahren: Kann der Bezirk noch ein Vorkaufsrecht nutzen beziehungsweise eine harte Abwendungsvereinbarung abschließen? Oder hätte er das schon beim ersten Teilverkauf tun müssen? Normalerweise nutzt Baustadtrat Florian Schmidt das Vorkaufsrecht ja konsequent. Es wäre seltsam, wenn er es ausgerechnet bei diesem Haus nicht tun würde – vor allem, nachdem die Grünen sich im Konflikt um den Aldi auf die Seite der Markthallenbetreiber geschlagen haben. Für uns als SPD-Fraktion steht fest: Die Mieter*innen in der Wrangelstraße 23 müssen genauso vor steigenden Mieten und Verdrängung geschützt werden wie alle anderen auch.