Der Nuke Club ist in Friedrichshain eine Institution, sagt die SPD-Verordnete Peggy Hochstätter. Doch zu Ende Juli wurden die Räumlichkeiten gekündigt. Darüber haben wir mit Peggy und mit Nicola Stolte vom Nuke Club gesprochen.
Nicola, du gehörst zur Geschäftsleitung des Nuke Club. Seit wann gibt es den und was macht ihn besonders?
Nicola Stolte: Den Club gibt es seit 1999, ursprünglich hieß er „K17“ und hatte seinen Standort in der Kadiner Straße. Seit 2013 sind wir am jetzigen Standort. Mein Geschäftspartner Tino und ich haben den Club im Dezember 2017 übernommen. Was uns ausmacht ist, dass wir drei Genres unter einem Dach vereinen. Wir haben drei Floors und eine Konzertbühne. Hier läuft Gothic, 80er, Wave, Rock, Metal und Metalcore.
Was auffällt: Die Getränkepreise sind günstiger als in vielen anderen Clubs. Steckt da eine Idee dahinter?
Nicola: Es liegt uns am Herzen, dass uns wirklich jeder besuchen kann. Deshalb gilt bei uns auch an jedem Wochenende: Wer in der ersten Stunde kommt, hat freien Eintritt. Unabhängig davon, ob man eine Arbeit hat oder in einer Notlage steckt, ob man Hartz-IV-Empfänger oder Immobilienmakler ist: Bei uns ist jeder willkommen und es wird auch niemand schief angeguckt.
Sicher habt ihr euch nach monatelangem Lockdown gefreut, dass der Club-Betrieb bald wieder losgehen kann. Dann kam die Nachricht: Euer Vermieter hat euch zum 31. Juli gekündigt. Wie ist es dazu gekommen?
Nicola: Es war schon lange klar, dass hier irgendwann gebaut werden wird. Deshalb hat uns die „S Immo“, nachdem sie das Gebäude gekauft hat, auch nur einen Mietvertrag mit sehr kurzer Kündigungsfrist gegeben. Wir hätten uns trotzdem gewünscht, dass der Vermieter uns mit mehr Vorlauf Bescheid gibt. Zumal nach monatelangem Lockdown.
Peggy Hochstätter (zu Nicola): Das empört mich. Man hat euch ja damals quasi gezwungen, einen Vertrag mit sechs Wochen Kündigungsfrist zu unterschreiben. Sonst hättet ihr schon vor Jahren das Gelände verlassen müssen. Das zeigt, dass wir dringend das Gewerbemietrecht regulieren müssen. Dazu gibt es ja jetzt eine Bundesratsinitiative, die von Berlin angestoßen wurde und für die sich auch Sozialdemokrat*innen aus Friedrichshain-Kreuzberg lange eingesetzt haben. Das Thema betrifft auch nicht nur Clubs, sondern auch Kindergärten und Jugendträger. Da muss es wirklich neue Gesetze geben!
Peggy, was verbindet dich mit dem Nuke Club?
Peggy: Das K17 – also das heutige Nuke – war immer ein Begriff in Friedrichshain. Das ist eine Institution im Kiez. Ich selbst höre zwar andere Musik, aber gehe auch gerne in Clubs und weiß, wie wichtig sie für Berlin sind.
Nicola, ihr habt eine Petition gestartet und rund 15.000 Unterschriften gesammelt. Darin wird die S Immo aufgefordert, die Kündigung auszusetzen oder euch wenigstens eine Schonfrist bis Ende des Jahres einzuräumen. Hat das etwas bewirkt?
Nicola: Leider nicht. Wir hätten gerne einfach mehr Zeit, damit wir einen neuen Standort suchen können. Dass wir hier nicht auf Dauer bleiben können, ist uns bewusst. Aber so ein Umzug braucht Zeit und ist aufwendig: Wir müssen unser komplettes Equipment einpacken und zwischenlagern. Und eine neue Location, die unseren Ansprüchen genügt – mit mehreren Räumen, geeignet für Live-Konzerte – findet man auch nicht so schnell. Früher Bescheid zu sagen, wäre einfach nett gewesen.
Viele ärgern sich über den Zeitpunkt der Kündigung: Schließlich habt ihr im Lockdown staatliche Corona-Hilfen beantragt und Spenden gesammelt, um überleben zu können – und um die Miete zu bezahlen. Die S Immo hat allerdings gegenüber Medien erklärt, sie hätten seit Monaten ohnehin keine Miete von euch erhalten. Kannst du das aufklären?
Nicola: Im ersten Lockdown letztes Jahr haben wir mehrmals den Kontakt zum Vermieter gesucht um zu klären, ob er unsere Miete reduzieren kann. Wir wurden immer wieder vertröstet und hatten es mit wechselnden Ansprechpartnern zu tun. Ende 2020 mussten wir lange auf die November- und Dezemberhilfe warten, wollten wieder mit dem Vermieter über die Situation sprechen – von dort hieß es aber nur: Bleiben Sie ruhig, wir melden uns schon. Das haben sie dann schließlich getan: Mit einem Zweizeiler, der die Kündigung enthielt und der uns vom Hausmeister gebracht wurde.
Viele Menschen – auch aus verschiedenen Parteien – haben ihre Solidarität mit euch erklärt. Hat auch das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg sich bei euch gemeldet?
Nicola: Nein, bisher noch nicht.
Peggy: Ich habe natürlich das Gespräch mit den Grünen gesucht, mit Baustadtrat Florian Schmidt und dem Kulturausschuss-Vorsitzenden Werner Heck. Die sind aber leider auch alle etwas ratlos, weil der Bezirk in so einem Fall wenig Handhabe hat. Ich versuche auch herauszufinden, ob es für das Grundstück schon konkrete Bauanträge gibt. Wir wissen ja im Moment nicht einmal genau, was der Eigentümer hier eigentlich vorhat. Und der scheint an einem Dialog auch wenig Interesse zu haben.
Der Lichtenberger Baustadtrat Kevin Hönicke (SPD) würde den Nuke Club gerne in seinen Bezirk holen. Seid ihr schon in konkreten Gesprächen?
Nicola: Wir haben uns mit ihm unterhalten. Ich habe gesagt, ein Herzens-Objekt wäre das alte Stasi-Versorgungszentrum in der Ruschestraße. Leider konnten wir da aber noch keinen Kontakt zum Eigentümer herstellen. Seltsamerweise sagte uns der Makler, die Stadt würde hier keinen Club wollen – dem hat Kevin Hönicke widersprochen. Thematisiert haben wir auch ein Areal an der Herzbergstraße und ein Objekt am Wiesenweg. Das sind aber Vorhalteflächen, die wir nur für ein, zwei Jahre zwischennutzen könnten – als dauerhaftes Zuhause für den Club eignen sie sich leider nicht.
Peggy, was würdest du dir als Bezirkspolitikerin vom Bezirksamt wünschen?
Peggy: Ich möchte, dass sich alle aktiv dafür einsetzen, dass der Nuke Club erhalten bleibt. Clubs haben auch eine kulturelle Bedeutung und sind ganz wichtig für unseren Bezirk. Und gerade der Nuke Club ist in seiner Form einzigartig und hat eine große Fan-Base, für sein Publikum gibt es sonst nicht viele Orte.
Das Thema müssen wir uns als Politiker alle gemeinsam auf die Fahnen schreiben, nicht nur im Bezirk – leider gibt es ja hier kaum noch Flächen für Clubs. Da müssen auch die Nachbarbezirke, der Senat und das Abgeordnetenhaus mitmachen. Im Abgeordnetenhaus haben die R2G-Koalitionsfraktionen gemeinsam mit der CDU einen Beschluss gefasst, die Clubkultur zu stärken. Es darf aber nicht bei Absichtserklärungen bleiben. Wir brauchen jetzt konkrete Unterstützung bei der Suche nach einem neuen Standort. Da ist jeder und jede Einzelne gefragt, nach Wegen zu suchen. Natürlich gilt das auch für das Bezirksamt: Es kann Gespräche führen und sich umhören.
Das Gespräch führte Carl-Friedrich Höck