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Tessa Mollenhauer-Koch (SPD) und der BVV-Saal im Kreuzberger Rathaus (vor der Corona-Pandemie)
Tessa Mollenhauer-Koch (SPD) und der BVV-Saal im Kreuzberger Rathaus (vor der Corona-Pandemie)

„Es geht auch darum, ob Familien in der BVV repräsentiert werden“

Die BVV hat eine Betreuung für die Kinder von Bezirksverordneten gefordert. Doch seitdem bewegt sich wenig. Die SPD-Verordnete Tessa Mollenhauer-Koch äußert sich im Interview verärgert.

Tessa Mollenhauer-Koch ist Fraktionssprecherin der SPD für die Themen Frauen, Gleichstellung, Inklusion und Queer. Zudem gehört sie dem Haushaltsausschuss der BVV Friedrichshain-Kreuzberg an.

Tessa, Die SPD-Fraktion plädiert seit langem dafür, dass ein Betreuungsangebot für die Kinder der Bezirksverordneten eingerichtet wird. Warum hältst du das für notwendig?

Weil es wichtig ist, dass Familien an Bezirkspolitik beteiligt werden. Ich habe ganz viele Frauen kommen und gehen sehen: Kaum waren sie schwanger oder haben ein kleines Kind bekommen, haben sie ihr Mandat zurückgegeben. Vor allem Alleinerziehenden wird es ohne Unterstützung schwer gemacht, Mitglied eines kommunalen Parlamentes zu werden. Das wirkt sich dann auch darauf aus, welche Interessen in der BVV eigentlich repräsentiert werden. Mein Eindruck ist leider: Bei uns im Bezirk werden die Belange von Familien – nicht nur von Frauen – sehr missachtet.

Was genau wünscht du dir denn?

Ich weiß natürlich: Die BVV ist kein Hort. Aber wenn ein Notfall eintritt, wäre es einfach schön, wenn es eine Möglichkeit gäbe, dass die Kinder mal zwei bis drei Stunden betreut werden.

Ich selber habe zwei Kinder bekommen, seitdem ich in der BVV bin. Ich habe sie acht Monate lang teilweise mitgenommen. Das Kreuzberger Rathaus habe ich als sehr familienunfreundlich erlebt. Es gab keinen Raum, wo man mal stillen kann oder das Kind einfach fünf Minuten in Ruhe lassen kann. Für ältere Kinder fehlt ein Raum, wo sie Hausaufgaben machen können oder einen Film schauen oder ein Buch lesen.

Und was ja auch nicht jeder weiß: Bezirksverordnete üben ihr Mandat ehrenamtlich aus. Das bedeutet: Tagsüber gehen die meisten ihrem Job nach und nach Feierabend stehen dann noch Abendtermine in der BVV an.

Wir tagen meistens ab 17 oder 18 Uhr. Und manchmal fällt die Babysitterin aus, der Partner ist in der Bredouille und kann nicht einspringen. Was macht man dann? Wenn ich die Kinder mitnehme, bleiben sie nun mal nicht zwei Stunden auf dem Platz sitzen und malen. Sondern sie laufen rum. Wie gesagt: Es wäre einfach schön, wenn wenigstens in der Zeit 18-20 Uhr mal jemand da wäre, der zur Not auf die Kinder aufpassen kann. Das ist in Friedrichshain-Kreuzberg offenbar nicht möglich.

Genau das soll sich jetzt ändern: Im Februar hat das Bezirksparlament beschlossen, dass das Bezirksamt einen Raum und eine Betreuung bereitstellen soll. (Dem Antrag der Linksfraktion ist die SPD beigetreten). Was für Rückmeldungen kamen seitdem aus dem Bezirksamt?

Es gibt dazu eine Vorlage des Stadtrats Florian Schmidt. Darin beruft sich das Bezirksamt auf die Raumknappheit im Rathaus. Zwar heißt es weiter, im Notfall können man einen Raum um möblieren, sodass er für die Kinderbetreuung genutzt werden kann. Es wird aber weder ein konkreter Raum zur Verfügung gestellt noch aufgeführt, wie man an diesen Raum kommt.

Auf den zweiten Teil des Antrages ist der Stadtrat gar nicht erst eingegangen: Nämlich auf die externe Kinderbetreuung und damit verbundene Kosten. Man hätte wenigstens einen symbolischen Betrag von 1.000 Euro im Jahr in den Bezirkshaushalt einstellen können. Nach dem Motto: Wir probieren das mal aus als Experiment. Vielleicht werden die 1.000 Euro gar nicht abgerufen, sondern nur 500 Euro. Trotzdem wäre das ein wichtiges Signal gewesen, um zu zeigen: Wir haben ein Interesse, dass auch berufstätige Mütter und Väter mit kleineren Kindern an der Bezirkspolitik teilhaben können. Dass das Bezirksamt nicht einmal so ein Zeichen setzt, ärgert mich maßlos.

Der BVV-Beschluss hatte dazu ja konkret gefordert: Die Kosten der Kinderbetreuung sollen aus den Mitteln der BVV finanziert werden.

Genau. Doch darauf geht das Bezirksamt überhaupt nicht ein und nennt keine einzige Zahl.

Es erstaunt ein wenig, dass die BVV sich nicht schon viel früher für eine Kinderbetreuung ausgesprochen hat. Du bist selbst Mutter und Bezirksverordnete und hättest so eine Unterstützung sicher auch gut gebrauchen können. Warum gab es dazu keinen fraktionsübergreifenden Vorstoß?

Doch, so etwas gab es. Einmal pro Wahlperiode wird versucht, darauf hinzuweisen, dass man doch mal Mittel und Räume zur Verfügung stellen könnte, bis jetzt leider ohne Erfolg.

Warum gab es dafür keine Mehrheit?

Eine gute Frage. Die SPD-Fraktion hat das, seit ich dabei bin, immer mitgetragen. Bei uns gab es ja auch immer wieder Bezirksverordnete mit kleinen Kindern, ebenso bei den Linken. Bei den Grünen habe ich eher erlebt, dass Frauen ihr Mandat abgeben, sobald ein Kind auf die Welt kommt. Die fehlen dann als Mitstreiterinnen für eine Kinderbetreuung. Und bei vielen anderen Bezirksverordneten habe ich leider den Eindruck: Sie betrachten das Thema schlicht nicht als ihr Problem. Diese Ignoranz widerspricht meinem Politikverständnis. Ich meine: Wenn ich Politik mache, sollte ich mich auch in die Belange anderer Menschen zumindest ansatzweise hineinfühlen können.

Welche Möglichkeiten siehst du nun, damit die Kinderbetreuung doch noch umgesetzt wird?

Ich bleibe am Thema dran und werde achselzuckende Antworten nicht länger hinnehmen. Ich habe der Bürgermeisterin bereits mitgeteilt, dass es dazu jetzt monatlich Anträge und Anfragen von mir geben wird. Das fängt bei Kinderbetreuung im Rathaus an und hört bei den Spielplätzen auf. Familien werden im Bezirk offenbar als Last angesehen. Nach dem Motto: Wer sich für Kinder entscheidet, muss eben mit den Konsequenzen leben. Aber wir sollten Familien doch unterstützen!

 

Das Gespräch führte Carl-Friedrich Höck