Die BVV tagt am Mittwoch mit nur 31 Verordneten und in einer Turnhalle. Der Vorsitzende der SPD-Fraktion Sebastian Forck spricht über die BVV-Arbeit in Zeiten von Corona.
Statt im Kreuzberger Rathaus tagt die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) in einer Sporthalle. Wie und warum ist es zu dieser Entscheidung gekommen?
Sebastian Forck: Die SPD-Fraktion hat bereits vor Wochen vorgeschlagen, dass wir nach einem alternativen Standort suchen sollten, um die Bezirksverordnetenversammlung stattfnden zu lassen. Der BVV-Saal ist sehr beengt, dort kann man das Abstandsgebot nicht wirklich einhalten. Deshalb haben wir das BVV-Büro gebeten, gemeinsam mit Sportstadtrat Andy Hehmke eine geeignete Sporthalle ausfindig zu machen.
So wollten wir eigentlich sicherstellen, dass auch wirklich alle 55 Bezirksverordneten zusammentreten könnten. Doch andere Fraktionen haben uns mitgeteilt, dass dort einige Fraktionsmitglieder nicht an einer Sitzung teilnehmen können, da sie gesundheitlich besonders gefährdet sind. Deshalb haben wir uns für eine Pairing-Variante entschieden. Die BVV findet also nur mit 31 Verordneten statt. Dabei entsendet jede Fraktion nur so viele Verordnete, dass die Mehrheitsverhältnisse in der BVV insgesamt gewahrt bleiben.
Wie ist die Stimmung im Ältestenrat der BVV? War es schwierig, sich mit den anderen Fraktionen auf ein gemeinsames Vorgehen zu verständigen, oder rücken in der Krise alle zusammen?
Die Debatte im Ältestenrat war insgesamt sehr konstruktiv. Wir haben offen unsere Positionen ausgetauscht und sind am Ende zu einem vertretbaren Ergebnis gekommen. Dabei sind unsere Vorschläge weitgehend aufgegriffen worden.
Wichtige Beschlüsse der BVV werden in der Regel erst in Fachausschüssen beraten. Können die bald wieder tagen?
Wir arbeiten im Moment daran, die Arbeitsfähigkeit der Ausschüsse wieder herzustellen. Es wird gerade diskutiert, ob wir eine Änderung der Geschäftsordnung benötigen, um die Ausschüsse per Videokonferenz tagen zu lassen. Das scheint aber nicht der Fall zu sein. Vorbehalte hatte vor allem die CDU. Aber nachdem klargestellt wurde, dass man sich auch per Telefon in die Sitzungen einwählen kann, hat sie auch zugestimmt. Man muss sich also nicht zwingend mit digitalen Geräten auskennen oder ein teures Tablet haben, um an den Sitzungen teilzunehmen.
Auch der Senat arbeitet an einer Option, die wir hoffentlich ab Mitte Mai nutzen können. Die Innenverwaltung hat 750 Lizenzen eines Videokonferenztools beschafft. Die sollen an die BVV-Büros der zwölf Bezirke und an die Fraktionen verteilt werden. Damit können dann ganz offiziell Ausschuss- und BVV-Sitzungen online stattfinden. Das Ganze wird hoffentlich auch mit einer Verordnung der Senatsinnenverwaltung unterstützt, die uns dieses genehmigt. Dann wären auch per Videokonferenz gefasste BVV-Beschlüsse rechtsgültig.
Wie können die Bürgerinnen und Bürger trotz Kontaktbeschränkungen die Arbeit der BVV verfolgen oder sich selbst einbringen?
Die BVV-Sitzung am Mittwoch soll provisorisch per Livestream übertragen werden. Vor Ort wird eine begrenzte Zahl von Pressevertretern an der Sitzung teilnehmen, sodass die erforderliche Öffentlichkeit hergestellt ist.
Langfristig ist bei dem Tool der Senatsinnenverwaltung ebenfalls ein Internet-Livestream angedacht. Für Ausschusssitzungen per Videokonferenz könnten dann auch interessierte Bürgerinnen und Bürger einen Zugangscode bekommen – so könnten sie sich aktiv an der Debatte beteiligen. Zu diesem Thema müssen wir uns aber noch im Ältestenrat mit den anderen Fraktionen verständigen.
Auch Fraktionssitzungen können derzeit nicht wie gewohnt stattfinden. Wie geht die Fraktion damit um?
Wir haben uns relativ schnell in der neuen Situation zurechtgefunden. Da wir in Fraktionssitzungen keine rechtlich verbindlichen Beschlüsse fassen, konnten wir einfach auf Telefon- und später Videokonferenzen umstellen.
Normalerweise bringt die SPD-Fraktion zu jeder monatlichen BVV-Sitzung zahlreiche Anträge ein. Das ist diesmal nicht der Fall. Wie kommt das?
Das hat verschiedene Gründe. Zum einen ist das der Spontaneität geschuldet. Es wurde ja erst in der Woche vor der BVV entschieden, ob und in welchem Format die Sitzung überhaupt stattfinden würde. Das beeinflusst natürlich auch unsere Vorbereitung. Zum anderen wissen wir alle, dass die Verwaltung gerade mit dem Kampf gegen die Coronakrise sehr ausgelastet ist. Das ist eine Ausnahmesituation. Deswegen haben sich die Fraktionen auch darauf verständigt, vor der BVV keine Anfragen bei der Verwaltung einzureichen, die dort noch zusätzliche Arbeit verursachen würden. Stattdessen werden wir unsere Fragen an das Bezirksamt in der Sitzung spontan stellen. Und auch Anträge bedeuten für die Verwaltung viel Arbeitsaufwand. Das ist für uns ein Grund, das eine oder andere Anliegen vorübergehend zurückzustellen. Auch die meisten anderen Fraktionen haben sich ein Stück weit zurückgehalten.
Welche Themen wird die SPD-Fraktion als erstes angehen, wenn der Höhepunkt der Krise überwunden ist?
Wir werden dort weitermachen, wo wir seit Jahren dran arbeiten. Zum Beispiel an einer besseren Verkehrspolitik. Sicher wird in der BVV diskutiert werden, ob und wie wir die Corona-Radwege verstetigen. Die meisten „Pop-up-Radwege“ sind übrigens an Stellen entstanden, für die Bezirksamt und BVV schon vor Jahren bessere Radstreifen beschlossen hatten. Weiter wird es um die Frage gehen, wie das Bezirksparlament beim kommunalen Vorkaufsrecht ausreichend eingebunden werden kann – auch in der Coronakrise.
Wir werden außerdem damit konfrontiert sein, dass wir einen Nachtragshaushalt verhandeln müssen. Denn die Coronakrise betrifft auch die finanzielle Situation des Bezirkes. Also müssen wir darüber sprechen, was zu tun ist, damit der Bezirk auch in Zukunft noch handlungsfähig ist.