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Wahrzeichen des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg: die Oberbaumbrücke
Wahrzeichen des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg: die Oberbaumbrücke

Anträge und Anfragen der SPD-Fraktion zur BVV am 29.01.2025

Am 29.01.2025 tagt die BVV erneut. Die SPD-Fraktion bringt einen gemeinsamen Antrag zur Umbenennung des Kreuzberger Blücherplatzes in Eva-Mamlok-Platz ein. Dort soll auch eine Gedenkestele an Eva Mamlok sowie den weiblichen und jüdischen Widerstand gegen die Terrorherrschaft der Nazis erinnern.

ANTRÄGE

Antrag DS/1448/VI

Betreff: Die Widerstandskämpferin Eva Mamlok angemessen ehren – Umbenennung des Blücherplatzes in Eva-Mamlok-Platz

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

Das Bezirksamt wird beauftragt, den Blücherplatz im Ortssteil Kreuzberg umzubenennen in Eva-Mamlok-Platz.
Am Platz soll weiterhin eine Stele oder ein symbolisches Objekt nebst Informationstafel auf Eva Mamlok, den weiblichen und jüdischen Widerstand sowie diesen authentischen Ort verweisen. An der Gestaltung derselben sollen neben der Gedenktafelkommission des Bezirks auch zivilgesellschaftlichen Akteur*innen und hier insbesondere der Verein Upstadt e.V. als Initiator der Ehrung Eva Mamloks beteiligt werden

Begründung:

Mit Eva Mamlok (1918 – 1944) wird eine Persönlichkeit geehrt, die sich mutig der Gewalt- und Terrorherrschaft der Nazis widersetzte. Sie lebte in der Neuenburger Straße in der Nähe des Halleschen Tors. Schon als Jugendliche stellte sie sich gegen Hitler und dessen menschenverachtende Politik. Ihre erste Widerstandsaktion fand – nach mündlicher Überlieferung – am Blücherplatz statt: Dort kletterte sie auf das Dach des Warenhauses Tietz und schrieb „Nieder mit Hitler“ darauf. Tietz wurde später durch ‚Arisierung‘ und Entrechtung enteignet. Heute befindet sich in dem (im Kern) erhaltenen Gebäude das Einrichtungshaus Poco. Später gründete Eva Mamlok in Kreuzberg eine Widerstandsgruppe junger jüdischer Frauen. Am 23. Dezember 1944 starb sie im KZ Stutthof an den dortigen Haftbedingungen. Ihre in vieler Hinsicht außergewöhnliche Biografie ist erst seit kurzem einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden durch die 2024 im FHXB-Museum gezeigte Ausstellung „Gruppe Eva Mamlok“ – siehe auch  https://de.wikipedia.org/wiki/Eva_Mamlok. Die Umbenennung des Blücherplatzes regt der auf dem Dragonerareal aktive Verein Upstadt e.V. an, der vorhat in den ehemaligen Pferdeställen am Mehringdamm den Geschichts- und Lernort Kreuzberg (GLOX) einzurichten (vgl. https://upstadt.de). Mit der Platzbenennung wird nicht nur die jüdische Widerstandkämpferin Eva Mamlok geehrt, sondern weiter gefasst auch der Widerstand von Frauen und der von Juden und Jüdinnen insgesamt. Beide sind in Berlin bei Straßenbenennungen bisher wenig gewürdigt wurden. Ausnahmen bilden der Alice und Hella Hirsch-Ring in Lichtenberg und die Herbert Baum-Straße in Weißensee.

Aufgegeben wird die am 7.4.1884 nach Gebhard Leberecht von Blücher, Fürst von Wahlstatt (1742–1819) vorgenommene Platzbenennung. Der Blücherplatz ist eine der vielen Adressen im Westteil Kreuzbergs, die die Namen von Feldherren und Schlachten der Befreiungskriege gegen die napoleonischen Truppen 1813/14 tragen. Blücher führte als Feldmarschall in der Schlacht bei Belle-Alliance/Waterloo am 18.6.1815 die preußische Armee zum Sieg der Alliierten Russland, Preußen, Großbritannien und Österreich über Frankreich. Der Mythos des angeblichen „Erbfeindes Frankreich“ hielt sich danach bis in die 1950er Jahre. An die Befreiungskriege der Jahre 1813 bis 1815 erinnern im Westteil Kreuzbergs neben diversen Straßen- und Platzbezeichnungen das Schinkeldenkmal auf dem Kreuzberg und Dichter-Hermen (Kopfbildnisse) im Viktoriapark. Blücher ist zusätzlich mit der teils mehrspurigen 1 1/2 Kilometer langen Blücherstraße im Bezirk prominent vertreten.

Um die Dominanz der frankophoben und militaristischen früheren Straßenbenennungspraxis zu relativieren, ist eine andere Akzentsetzung bei der Straßen- und Platzbenennung anzustreben, die dem heutigen antinationalistischen und antifaschistischem Grundkonsens entspricht.

Der Blücherplatz hat nur drei Hausnummern, was die Anzahl der von der Umbenennung Betroffenen und den Verwaltungsaufwand minimiert. Die Nummer 1 hat die Amerika-Gedenkbibliothek, die mit dem Eva-Mamlok-Platz eine Adresse bekommt, die von Leitung, Mitarbeiter*innen und Freundeskreis begrüßt wird. In der AGB könnte auch ein Erinnerungs- und Informationsort an Eva Mamlok und den Berliner jüdischen Widerstand entstehen.
Die Nummer 2 hat das Gebäude mit dem Restaurant Split und dem Optiker Apollo. Die Nummer 3 hat die Poco-Domäne, eben jenes Gebäude, das mit der ersten Widerstandsaktion von Eva Mamlok eng verbunden ist.

Kurzbiografie von Eva Mamlok

Eva Mamlok wurde am 6. Mai 1918 in Berlin als Kind jüdischer Eltern geboren. Sie wuchs mit ihrer Schwester in Kreuzberg auf und war früh politisch aktiv – als Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) und nach deren Zerschlagung 1933 im illegalen Widerstand. Mit 13 oder 14 Jahren wurde Eva Mamlok nach mündlicher Überlieferung erstmals kurzzeitig verhaftet, weil sie „Nieder mit Hitler“ auf das Dach des Kaufhauses am Halleschen Tor geschrieben hatte. Wegen ihres Alters wurde sie jedoch laufen gelassen. Als sie im November 1934 Blumen am Grab von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ablegte, wurde sie erneut verhaftet. Bis Mai 1935 kam die nun 16-jährige in ‚Schutzhaft‘ ins Frauen-KZ Moringen. Nach ihrer Entlassung setzte sie ihre Widerstandstätigkeit unbeirrt fort.

Am 3. September 1939 wurde ihre Tochter Tana geboren, über deren Vater nichts bekannt ist. Ab 1941 musste Eva Zwangsarbeit bei Butzke in der heutigen Lobeckstraße leisten. Dort baute sie eine jüdische Frauenwiderstandsgruppe auf. Die jungen Frauen verteilten Flugblätter, schrieben Parolen an Hauswände und verliehen verbotene Bücher an nicht-jüdische Kollegen. Im September 1941 wurden sie denunziert und verhaftet. Mit zwei anderen Frauen der Gruppe wurde Eva Mamlok am 13. Januar 1942 nach Riga deportiert. Auch dort leistete sie weiter Widerstand. Evas Mutter und Tante wurden am 19. Oktober 1942 von Berlin ebenfalls nach Riga verschleppt und dort ermordet. Evas dreijährige Tochter kam erst ins Jüdische Waisenhaus und wurde schließlich am 29. November 1942 nach Auschwitz deportiert.

Eva Mamlok starb am 23. Dezember 1944 im KZ Stutthof, wohin sie im Oktober 1944 transportiert worden war. Stolpersteine in der Neuenburger Straße erinnern an sie und ihre Familie. »Ich hatte so jemanden noch nie getroffen. Sie war schön und lebenslustig … Sie konnte die ganze Dreigroschenoper auswendig und sang sie bei der [Zwangs-]Arbeit an der Drehbank.« (Inge Berner, einzige Überlebende der Gruppe, in einem Interview mit der von Steven Spielberg gegründeten USC Shoah Foundation)

Zusammenfassung

Der zentrale Platz am Halleschen Tor in Kreuzberg soll künftig nicht mehr den Namen eines Feldherrn der Befreiungskriege gegen Napoleon tragen, sondern es wird dort eine Persönlichkeit des weiblichen und jüdischen Widerstandes gegen den Nationalsozialismus geehrt: Eva Mamlok.

Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, SPD