Drei von unterschiedlichen Fraktionen eingebrachte Anträge, Baustadtrat Florian Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen) vorzeitig abzuberufen, haben nicht die erforderliche Zweitdrittelmehrheit erhalten. Die Abstimmung erfolgte aufgrund der Corona-Pandemie als Briefwahl. 47 von 55 Bezirksverordneten haben ihre Stimme auf diesem Weg abgegeben. Die Stimmenauszählung am heutigen Donnerstag ergab jeweils: 16 Ja-Stimmen, 30 Nein-Stimmen und eine Enthaltung. Somit bleibt Florian Schmidt im Amt.
Die SPD-Fraktion in der BVV bedauert den Ausgang der Wahl. Der Fraktionsvorsitzende Sebastian Forck erklärt: „Eine einmalige Chance wurde vertan! Offenbar konnten sich Grüne und Linke nicht dazu durchringen, Schmidt aus dem Amt abzuberufen. Das ist bedauerlich, denn ein Dilettant am Werk schadet dem Bezirk. Schmidt hat mehrfach bewiesen, dass er sich nicht an geltende Regeln hält. Sein unverantwortliches Agieren hat den Bezirk und das Land Berlin bereits viel Geld gekostet. Außerdem hat er die Öffentlichkeit an der Nase herumgeführt und Bezirksverordnete bei der Aufklärung der Vorgänge um die Diese eG behindert.“
Forck fügt hinzu: „Leider hat Schmidt mit seinen Alleingängen auch dem Ansehen des bezirklichen Vorkaufsrechtes geschadet. Rot-Rot-Grün hat das Vorkaufsrecht in dieser Wahlperiode aus gutem Grund gestärkt – dafür haben sich die drei Parteien auf Landes- wie Bezirksebene eingesetzt. Es ist ein wichtiges Instrument zum Schutz der Mieter*innen vor Verdrängung. Das Vorkaufsrecht muss auch in Zukunft konsequent angewendet werden. Damit das auf Dauer gut geht, sollte das Amt des Baustadtrates oder der -stadträtin mit einer Person besetzt werden, die mit der Verantwortung umzugehen weiß, welche mit dem Amt verbunden ist.“
Zum Hintergrund:
Einer der drei Abwahlanträge war im Oktober 2020 von der SPD-Fraktion eingebracht worden. Unmittelbarer Anlass war ein Bericht des Landesrechnungshofes. Dieser hat Schmidts Vorgehen bei der Anwendung des Vorkaufsrechtes zugunsten der Diese eG untersucht. Der Bericht zeichnet ein erschreckendes Bild: Der Baustadtrat hat seine Pflichten als Amtsträger massiv und fortgesetzt verletzt. Den Bezirk hat er damit einem Haftungsrisiko in Höhe von 27 Millionen Euro ausgesetzt. Die tatsächlichen Kosten für den Bezirk belaufen sich voraussichtlich auf 270.000 Euro. Weiter geht aus dem Rechnungshofbericht hervor: Schmidt hat sich als beratungsresistent bewiesen, gesetzliche Vorgaben missachtet und im Alleingang gehandelt.
Aus Sicht der SPD-Fraktion hat Schmidt zudem die Aufklärung des Falles behindert. Zum Beispiel wurden 2019 in einer Pressemitteilung des Bezirksamtes zur Causa Diese eG unzutreffende Angaben über die Finanzierungszusagen kreditgebender Banken gemacht (Quelle: Jahresbericht 2020 des Berliner Rechnungshofes, S. 178). Im Januar 2020 räumte Schmidt intern ein, dass sein Amt mehreren Fraktionen bei einer Akteneinsicht unvollständige Akten vorgelegt hatte. Dies erklärte der Stadtrat mit politischen Motiven: Er habe verhindern wollen, dass die Akteninhalte zur politischen Agitation genutzt werden können. Nachdem die Senatsinnenverwaltung den Fall untersucht hatte, stellte sich Schmidt mit einer höchst irreführenden Pressemitteilung des Bezirksamtes quasi selbst einen Freispruch aus („Die Prüfung ergab, dass das Akteneinsichtsrecht der BVV durch das Bezirksamt ausreichend sichergestellt wurde“). Daraufhin sah sich die Senatsinnenverwaltung genötigt, Schmidts Aussage öffentlich richtig zu stellen – ein außergewöhnlicher Vorgang! In Wahrheit hatte die Bezirksaufsicht nämlich festgestellt, „dass das Akteneinsichtsrecht der Bezirksverordneten zumindest zum Teil beeinträchtigt wurde“ und dies „grundsätzlich dazu geeignet war, die Transparenz des Verwaltungshandelns in Frage zu stellen“.
Noch während das Briefwahlverfahren zu den Abwahlanträgen lief, hat Schmidt im Fall Rigaer Straße 94 erneut einen Alleingang gestartet, der das Land Berlin viel Geld kostet – und zugleich im Untersuchungsausschuss zur Diese eG nach einer vorgefertigten Erklärung weitere Auskünfte verweigert.
Pressemitteilung der SPD-BVV-Fraktion Friedrichshain-Kreuzberg vom 18.03.2021.
Nachträgliche Richtigstellung: Die FDP bildet in der BVV keine Fraktion, sondern eine Gruppe – die Anträge wurden demnach von zwei Fraktionen und einer Gruppe eingebracht.