(Gemeinsame Presseerklärung der SPD Friedrichshain-Kreuzberg und der SPD-BVV-Fraktion Friedrichshain-Kreuzberg – Berlin, den 05.10.2020)
Der Rechnungshof von Berlin hat das Vorgehen von Baustadtrat Florian Schmidt (B90/Grüne) untersucht und gerügt. Schmidt hatte das bezirkliche Vorkaufsrecht mehrfach zugunsten der Genossenschaft Diese eG ausgeübt. Der Jahresbericht des Rechnungshofes wurde am Montag veröffentlicht. Er kommt zu dem Schluss, dass der Baustadtrat seine Pflichten massiv und fortgesetzt verletzt hat. Den Bezirk hat er damit einem Haftungsrisiko in Höhe von 27 Millionen Euro ausgesetzt. Die tatsächlichen Kosten für den Bezirk belaufen sich voraussichtlich auf 270.000 Euro.
Hierzu erklären der Vorsitzende der SPD-Fraktion in der BVV Sebastian Forck und die SPD-Kreisvorsitzenden Marie Scharfenberg und Henry Marx:
„Florian Schmidt hat klare gesetzliche Vorgaben nicht eingehalten. Seiner Verantwortung als Amtsleiter ist er offensichtlich nicht nachgekommen. Ohne Rücksprache mit dem bezirklichen Rechtsamt hat er behauptet, er könne das Vorkaufsrecht ohne finanzielle Risiken für den Bezirk wieder rückabwickeln, was schlicht nicht stimmte. Auch an anderen bezirklichen Stellen – wie der Beauftragten für den Haushalt – hat er einfach vorbei agiert.
Trotz klar formulierter Aussagen des Finanzsenators Matthias Kollatz hat Schmidt mit Zuschüssen des Landes kalkuliert, für die zu diesem Zeitpunkt noch gar keine gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen waren. Auch eine rückwirkende Bezuschussung wäre nach Ansicht des Rechnungshofes unzulässig gewesen.
Florian Schmidt hat dem kommunalen Vorkaufsrecht geschadet. Dieses ist ein wichtiges Instrument zum Schutz der Mieter*innen, für das sich die SPD auch in der vergangenen Wahlperiode schon eingesetzt hat. Um es auf Dauer wirksam einsetzen zu können, brauchen wir eine gute Zusammenarbeit von Senat und Bezirken. Wir brauchen Geld, und wir brauchen politische Mehrheiten für das Vorkaufsrecht – auch in der Bevölkerung. Der grüne Baustadtrat hat einen politischen Alleingang gestartet und klare Ansagen der Landesebene missachtet. Er hat politisches Roulette gespielt und die finanzielle Handlungsfähigkeit des Bezirkes aufs Spiel gesetzt.
Am Ende ist der Bezirk mit einem blauen Auge davongekommen. Laut Rechnungshof hat Schmidt mit seinem Agieren eine gesamtschuldnerische Haftung des Bezirks von mehr als 27 Millionen Euro begründet, die mit einem außerordentlich hohen Eintrittsrisiko behaftet war. Tatsächlich zahlen muss der Bezirk nun 270.000 Euro – Geld, das an anderer Stelle wie etwa der Schulreinigung fehlt.
Als Bezirksbürgermeisterin muss jetzt Monika Herrmann das Handeln ihres Bezirksamtsmitgliedes beurteilen. Für uns ist klar: Nach all diesen Verfehlungen im Zusammenhang mit der Ausübung des Vorkaufsrechts für die Diese eG ist Florian Schmidt nicht länger im Amt zu halten. Wir fordern daher seinen Rücktritt. Andernfalls werden wir seine Abwahl beantragen.
Weitere Informationen für den Hintergrund:
Berliner Rechnungshof schildert in Kapitel 11 seines Jahresberichtes 2020 die Haushaltsrisiken, die der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg „durch pflichtwidrige Ausübung von Vorkaufsrechten“ eingegangen ist. Wer den Bericht liest, kommt zu den folgenden Schlüssen:
- Der Baustadtrat hat gegenüber der BVV und der Öffentlichkeit die Unwahrheit behauptet. „Entgegen der Pressemitteilung Nr. 177 des Bezirksamts vom 9. August 2019 waren im Zeitpunkt der Vorkaufsausübungen keine Finanzierungszusagen kreditgebender Banken aktenkundig“, heißt es im Bericht.
- Falsch war auch die Behauptung, für den Bezirk bestehe kein finanzielles Risiko. (So steht es in der Bezirksamts-Pressemitteilung. Der Baustadtrat behauptete dies auch auf Nachfrage in der BVV.) Der Rechnungshof stellt zum Vorkaufsrecht zugunsten Dritter klar: „Die Gemeinde haftet dabei für die Verpflichtung aus dem Kaufvertrag neben dem Dritten als Gesamtschuldnerin“.
- Der Baustadtrat hat Vorgaben des Baugesetzbuches ignoriert, nach denen er die finanzielle Leistungsfähigkeit der Genossenschaft hätte prüfen müssen. Das Bezirksamt hat damit seine Pflichten verletzt.
- Der Baustadtrat hat sich als beratungsresistent erwiesen. Ein bezirksamtsinterner Hinweis, der auf die Prüfpflichten des Bezirksamtes verwies („Die Finanzierung muss im Vorfeld geklärt werden“), wurde offenbar ignoriert. Das Bezirksamt hat sich vor der Vorkaufsausübung intern auch nicht durch das Rechtsamt beraten lassen. Stattdessen hat es einfach behauptet, der Bezirk könne das Vorkaufsrecht widerrufen, ohne dass ihm daraus finanzielle Folgen entstünden. Was nicht stimmte.
- Auch sonst hat der Baustadtrat quasi einen Alleingang unternommen. So wurde die Beauftragte für den Haushalt im gesamten Verfahren der Vorkaufsausübung nicht beteiligt – ein Verstoß gegen die Landeshaushaltsordnung.
- Bei ihrer Finanzierungsplanung plante die Diese eG einen öffentlichen Zuschuss ein, für den zu diesem Zeitpunkt noch gar keine gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen waren und mit der er von daher nicht hat rechnen können. „Der Zuschussbaustein war bei den ersten fünf Häusern offensichtlich unplausibel“, urteilt der Rechnungshof. „Eine rückwirkende Bezuschussung wäre auch unzulässig gewesen.“ Schmidt hatte in der Vergangenheit versucht, den Finanzsenator zum Sündenbock für sein Scheitern zu machen, indem er ihm indirekt Wortbruch unterstellte. Der von Schmidt verbreiteten Legende widerspricht der Rechnungshof: „Es gab auch keine verbindliche Zusicherung der Senatsverwaltung für Finanzen, die bei der Beurteilung der fachlichen Leistungsfähigkeit des Dritten hätte berücksichtigt werden können.“
- Die Vorkaufsausübungen begründeten eine gesamtschuldnerische Haftung des Bezirks von mehr als 27 Millionen Euro, „die mit einem außerordentlich hohen Eintrittsrisiko behaftet war“.
- Den Bezirk kosteten die Vorgänge, wenn man die voraussichtlich noch zu leistenden Zahlungen mit einbezieht, 270.000 Euro.