Gastro-Flächen auf öffentlichem Straßenland? Diesem Bezirksamts-Plan stimmt die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Peggy Hochstätter unter Vorbehalten zu. Es müsse gerecht und kontrollierbar zugehen – und der Fußverkehr dürfe nicht behindert werden.
Interview mit Peggy Hochstätter, verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg
Seit dem 15. Mai dürfen Gastronomiebetriebe in Berlin wieder öffnen, natürlich unter Auflagen und unter Wahrung der Abstandsregeln. Wie hast du die ersten Tage wahrgenommen?
Zunächst habe ich mich natürlich gefreut, dass die Gastronom*innen wieder etwas Geld verdienen können. Der Lockdown hat sie hart getroffen. Und es belebt ja auch das Straßenbild, wenn das eine oder andere Café wieder einen Tisch rausstellen kann. Das gehört zu unserer Stadt. Wenn die ersten Sonnenstrahlen da sind, sitzen die Leute gerne draußen.
Es waren aber nicht alle begeistert …
Ich wohne im Samariterkiez, der ist nicht ganz so stark durch Gastronomie geprägt. Aber ich habe gehört, dass an einigen Stellen im Bezirk die Fußgänger*innen kaum noch durchkamen. Das geht so natürlich nicht!
Trotz der Lockerungen bleibt auch für die Gastronom*innen die Situation weiter schwierig. Viele Mitarbeiter*innen haben ihren Job verloren oder sind in Kurzarbeit gegangen. Und manche potenziellen Gäste bleiben weiter aus.
Das Bezirksamt will nun Gewerbetreibenden ermöglichen, Tische, Stühle und Auslagen temporär auf das Straßenland zu verlagern. Was hältst du von dem Plan?
Wichtig ist: Die Gastronomie sollte sich nicht weiter auf den Fußwegen ausbreiten. Wir brauchen mindestens zwei Meter Platz für Fußgänger*innen, damit auch die Menschen mit Rollstuhl, Rollator oder Kinderwagen noch gut durchkommen. Das Thema verfolgt uns im Bezirk ja schon lange. In Corona-Zeiten müsste der Gehweg sogar eher noch breiter sein, um die Abstandsregeln einhalten zu können.
Grundsätzlich ist es gut, wenn Gastronom*innen in dieser besonderen Situation die Möglichkeit bekommen, Tische auf öffentlichem Straßenland aufzubauen. Das ist aber ein Prozess, bei dem es einiges zu beachten gilt: Es muss gerecht zugehen und es muss kontrollierbar sein.
Was meinst du damit genau?
Es kann nicht jeder wahllos Stühle auf die Straße stellen. Wenn der Bezirk nun Sondergenehmigungen erteilt, sollte das nur in dem Umfang passieren, wie das Ordnungsamt die Einhaltung der Regeln auch kontrollieren kann. Sonst haben wir gleich das nächste Problem. Und das Ordnungsamt hat schon jetzt alle Hände voll zu tun.
Du hast auch von „Gerechtigkeit“ gesprochen. Da drängt sich die Frage auf: Sollte öffentliches Straßenland überhaupt kommerziell genutzt werden dürfen?
Wichtig ist, dass wir den Verkehr nicht einfach ignorieren. Anwohnende mit einem Auto müssen auch noch irgendwo in der Nähe ihres Wohnortes einen Parkplatz finden. Das gilt besonders für Menschen mit körperlichen Einschränkungen. Wir haben den Lieferverkehr. Und wir haben den Fahrradverkehr, auch dafür wollen wir die Wege freihalten.
Aber wir haben eben eine besondere Situation. Die Gastronom*innen hatten wochenlang wenig bis gar keine Einnahmen. Sie mussten aber weiter Personal und teils teure Mieten zahlen. Deshalb ist es richtig, wenn wir ihnen vorübergehend eine neue Möglichkeit bieten, wieder ein bisschen Geld in die Kasse zu bekommen. Zur Wahrheit gehört auch: Nicht alle Gastronomen werden von dem Plan des Bezirksamtes profitieren können. Deshalb werden wir als SPD-Fraktion genau hinschauen, nach welchen Kriterien das Bezirksamt die Genehmigungen verteilt.
Zu einem anderen Thema: Die Bezirksverordnetenversammlung wird demnächst Grundzüge für ein Fußverkehrskonzept beschließen. Welche Akzente hat die SPD bei dem Thema gesetzt?
Wir haben noch einmal mit Verbänden gesprochen und einige Änderungen durchgesetzt. Besonders wichtig war uns die Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderung – etwa durch abgesenkte Bordsteine. Konkret haben wir erreicht, dass das Bezirksamt sich prioritär um die U-Bahn-Haltestelle Samariterkiez kümmert. Dort liegt ein gut besuchter Supermarkt direkt vor einem U-Bahn-Ausgang. Den schmalen Streifen dazwischen müssen sich Radfahrende und Fußgänger*innen teilen, es kommt ständig zu gefährlichen Situationen. Jetzt soll der Fahrradweg verlegt werden, um die Fußgänger*innen zu schützen.
Sichere Fußwege sind für uns ohnehin seit Jahren ein wichtiges Anliegen. Wir setzen uns mit Anträgen immer wieder für sichere Schulwege und Kreuzungen ein. Vor einem Jahr haben wir eine tolle Aktion gestartet: Auf der Website fusswege-xhain.de können uns Bürger*innen mitteilen, wo sie den größten Handlungsbedarf sehen. Wir schauen uns an, wie man die Gefahrenstellen entschärfen kann und bringen dazu Anträge in die BVV ein. Leider scheitern wir manchmal an den politischen Mehrheiten. Grüne und Linke haben sich mehrfach gegen unsere Anträge ausgesprochen, weil sie ihnen „zu kleinteilig“ waren. Ich finde das sehr schade. Denn selbst kleinteilige Maßnahmen wie ein Zebrastreifen können den Schulweg für viele Kinder sicherer machen, vielleicht sogar Leben retten.