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Bezirksverordnetenversammlung am 7. Dezember 2011

Die Bezirksverordnetenversammlung steht im Zeichen der Bezirksamtsbildung. Mit Dr. Peter Beckers stellt die SPD den stellvertretenden Bezirksbürgermeister und Stadtrat für Schule und Sport, Ordnungsamt, Wirtschaftsförderung mit EU-Beauftragtem und dem Bündnis für Wirtschaft und Arbeit. Auch soll auf dieser BVV beschlossen werden, welche Ausschüsse gebildet werden.

Inhaltlich knüpfen wir an unsere Arbeit der letzten Legislaturperiode an. Mit unserem Antrag zur „Zukunft der Behindertenpolitik im Bezirk“ greifen wir ein Anliegen vom Anfang der letzten Wahlperiode auf, welches vom Bezirksamt nicht zufriedenstellend bearbeitet wurde. Eine sehr kurze und stille Gedenkfeier anläßlich der Pogromnacht war der Auslöser für unsere zweite Initiative.

Auch wurde die Resolution „für eine nachhaltige Stärkung der zivilgesellschaftlichen Strukturen gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und Islamophobie. Für eine nachhaltige Förderung von interkulturellen Dialogen und Begegnungen“ von der BVV beschlossen.

DS/0028/IV Zukunft der Behindertenpolitik im Bezirk
DS/0029/IV Für ein würdiges Andenken an die Novemberpogrome
DS/0034/IV Für eine nachhaltige Stärkung der zivilgesellschaftlichen Strukturen gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und Islamophobie. Für eine nachhaltige
Förderung von interkulturellen Dialogen und Begegnungen

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DS/0028/IV Zukunft der Behindertenpolitik im Bezirk

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

In Fortsetzung der seit vielen Jahren im Bezirk beförderten Behindertenpolitik wird das Bezirksamt ersucht:

Die jährliche Durchführung einer Sonder-BVV mit behindertenpolitischem Thema bzw. eines behindertenpolitischen Forums auch weiterhin konstruktiv zu unterstützen und dabei die im Bezirk auf diesem Gebiet tätigen Vereine und Betroffenenvertretungen als „Experten in eigener Sache“ einzubeziehen.

Der zuletzt am 03.12.2003 der BVV öffentlich gemachte Bericht zur Lage der Behinderten im Bezirk ist fortzuschreiben, zu präzisieren sowie durch einen Maßnahmeplan zu ergänzen und der BVV als Vorlage zur Kenntnisnahme vorzulegen.

Dabei sollen folgende Punkte u.a. Berücksichtigung finden:

Auf der Grundlage des Berichtes ist nach dem Vorbild des „Maßnahmeplanes Barrierefreies Friedrichshain“ ein behindertenpolitischer Plan zu entwickeln, der die erforderlichen Konsequenzen aufzeigt, die Verantwortlichkeiten in den einzelnen Bezirksamt-Bereichen festlegt, den möglichen Realisierungszeitraum und den notwendigen Finanzbedarf benennt und unter Berücksichtigung der Haushaltslage klare Prioritäten setzt. Alle Abteilungen sollen aufzeigen, in welchen Bereichen Verbesserungen der Situation von Menschen mit Behinderungen innerhalb der Verwaltung und des Bezirkes erreicht werden konnten sowie welche (kurz-, mittel- und langfristige) Ziele und Maßnahmen angestrebt werden.

Verbände und Vereine des Bezirkes sollen einbezogen werden, um u.a. eine Einschätzung zur Verbesserung sowie konkrete Defizite zu benennen.

Der Begriff der Barriefreiheit ist dabei im umfassenden Sinne zu definieren (Teilhabe an allen gesellschaftlichen Bereichen, barrierefreie Umwelt, Kommunikation, Bildung, Beschäftigung)

Grundlage der Planung soll – bei den auf den Bezirk anwendbaren Vorgaben – die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sein.

Der Plan ist regelmäßig (mindestens alle 2 Jahre) unter Einbeziehung des Behindertenbeirates zu evaluieren.

Abschließendes Ziel der behindertenpolitischen Planung durch das Bezirksamt muss es sein, dass behindertenpolitische Aspekte immer vor Beginn aller Planungen und Maßnahmen der Bezirksamts-Bereiche in die Überlegungen einbezogen werden („disability mainstreaming“).

Der Bericht zur Lage der Behinderten im Bezirk (aus dem Jahre 2003) ist bezüglich der darin aufgezeigten Defizite nach Sozialräumen sowie im Hinblick auf ihre mögliche Beseitigung zu präzisieren. Dazu gehören u.a.:
– Begleitdienste (S. 4)
– Rb-Wohnungen (S. 7)
– Betreute Wohnformen (S. 8 und 9)
– Geschützte Arbeitsmöglichkeiten für psychisch kranke Menschen (S.9)
– Integrationsplätze in Kitas freier Trägerschaft (S.11)
– VHS (S. 13)
– Erhebung zu Freizeit-, Kultur- und Sporteinrichtungen (S. 15)
– Kürzungen der Behindertenhilfe/ Unmöglichkeit der Erbringung des behindertenbedingten Mehraufwandes durch die Eltern (S. 18)
– Schwerbehindertenberatung (S. 22)
– Migranten mit Behinderung (hier reicht die Statistik nicht aus)

Begründung:

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete die Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, nach der sich die Vertragsstaaten verpflichten, geeignete Maßnahmen zu treffen, um Menschen mit Behinderungen einen angemessenen Lebensstandard und sozialen Schutz zu sichern. Der ehemalige Bezirk Friedrichshain gehörte zu den ersten Bezirken in Berlin, der bereits nach der sog. „Agenda 22“ handelte. Bereits seit 1990 wurde systematisch an der Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit einem Handicap gearbeitet. Dazu gehörte in nicht unerheblichem Maße der auf der Grundlage einer präzisen Bestandserhebung von allen bezirklichen Abteilungen erarbeitete Maßnahmeplan „Barrierefreies Friedrichshain“. Seit der Fusion mit dem Bezirk Kreuzberg ist viel Zeit vergangen und noch immer fehlt ein behindertenpolitischer Plan für den Gesamtbezirk, insbesondere im Hinblick auf einen konkreten Maßnahmeplan.

Berlin, 29.11.2011

Für die Fraktion der SPD

Anita Leese

Am 7.12.2011 beschlossen, mit der Ergänzung, dass der Bericht auf der Seite der bezirklichen Internetbeauftragten veröffentlicht werden soll.
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DS/0029/IV Für ein würdiges Andenken an die Novemberpogrome

Die BVV möge beschließen:

Das BA wird beauftragt, der jährlich an der Synagoge Fraenkelufer durchgeführten Veranstaltung zum Gedenken an die Novemberpogrome 1938 in Zukunft einen würdigeren Rahmen zu geben.
Wünschenswert ist eine ausführlichere persönliche Teilnahme der Bezirksamtsmitglieder, denkbar sind musikalische, literarische oder andere kulturelle Beiträge. Um eine größere Beteiligung auch von Bezirksverordneten und interessierten Bürgern zu ermöglichen, sollte in Erwägung gezogen werden, die Veranstaltung später am Tag und – bei Terminkollission mit anderen zu diesem Anlass stattfindenden zentralen Gedenkveranstaltungen – eventuell am 10. November durchzuführen. Das Konzept ist rechtzeitig mit dem Vorstand der Synagoge abzustimmen und die Einladung an BVV und Bürger bis spätestens 1. November auszusprechen.

Der BVV ist bis zur September-Sitzung über konzeptionelle Vorschläge zu berichten.

Begründung:
Es ist zu begrüßen, dass an der einzigen Synagoge unseres Bezirkes jährlich am 9. November der Pogrome von 1938 gedacht wird. Sehr bedauerlich ist allerdings die mangelnde konzeptionelle Ausgestaltung der Veranstaltung. In anderen Städten und anderen Berliner Bezirken nimmt dieses Erinnern einen zentralen Platz ein – in Friedrichshain-Kreuzberg dauert es maximal zehn Minuten. Würde nicht ein Vertreter der Jüdischen Gemeinde einen Wortbeitrag übernehmen, so ist zu bezweifeln, dass die Veranstaltung aus mehr als einer kurzen Kranzniederlegung bestünde.
Die Geschehnisse des November 1938 waren ein erster grausamer Höhepunkt der Shoah. Sie erfordern – zumal in einem sich vorrangig als „links“ definierenden Bezirk – ein würdigeres Andenken, als es im Moment von offizieller Seite geleistet wird. Der Vorstand der Synagoge ist sicherlich gerne zur Zusammenarbeit bereit, allerdings als „Ausrichter“ nicht der richtige Adressat. 2011 hat die mangelnde Kommunikation zwischen den Beteiligten und zu Beteiligenden zudem einen traurigen Höhepunkt erreicht: Noch drei Tage vor dem Termin hatte kein vorbereitendes Gespräch zwischen Synagogenvorstand und Bezirk stattgefunden; die Einladung an die Fraktionen erfolgte erst am 7.11. (und war fehlerhaft), eine persönliche Einladung an die Bezirksverordneten erging gar nicht.
Dies alles ist des Datums nicht würdig und bedarf der Verbesserung.

Berlin, den 29.11.2011
Für die Fraktion der SPD
Miriam Noa

Am 7.12.2011 überwiesen in den Ausschuss für Kultur und Bildung
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DS/0034/IV Für eine nachhaltige Stärkung der zivilgesellschaftlichen Strukturen gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und Islamophobie. Für eine nachhaltige
Förderung von interkulturellen Dialogen und Begegnungen

Resolution

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:
Wir sind entsetzt über das Ausmaß der eiskalten Menschenverachtung, mit der eine neofaschistische Terrorgruppe in einer Mordserie von 2000 bis 2006 zehn Menschen getötet hat. Diese Menschen
wurden gezielt ermordet, weil rechtsextreme Mörder sie als „Fremde“ wahrgenommen und zu Feinden erklärt haben. Wir sind bestürzt, weil in den letzten Wochen unzweifelhaft und für jede
und jeden sichtbar geworden ist, dass diese Taten die Existenz eines weitverzeigten Netzwerks von rechtsextremistischen Terroristen und ihren Unterstützern belegen. Dass die NPD in diesem
Netzwerk eine bedeutende Rolle spielt, ist keineswegs überraschend, wohl aber, dass auch Behörden des Verfassungsschutzes darin verstrickt und nunmehr in das denkbar grellste Zwielicht
geraten sind.

Was immer die kommenden Untersuchungen noch hervorbringen werden: die Verfassungsschutzbehörden haben die rechtsextremistische Gewalt- und Mordlust eindeutig unterschätzt und bei der
Aufklärung dieser Verbrechen über Jahre hinweg versagt. Sie haben falsche Spuren verfolgt und ihre rassistischen Spekulationen sogar öffentlich geäußert. Dieses Versagen hat es erst ermöglicht,
dass nicht allein solche Medien, bei denen das Schüren von Ängsten ohnehin verkaufsfördernd ist, in einer entmenschlichten Sprache Spekulationen über sog. „Döner-Morde“ in Umlauf
bringen konnten, die die Opfer und ihre Angehörigen einer grausamen öffentlichen Demütigung ausgesetzt haben.

Die Spur der Nazi-Morde führt zur NPD. Auch auf der Homepage der NPD-Berlin wird in rassistischer Weise gegen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker aus Friedrichshain-Kreuzberg
gehetzt. Mit ihnen bekräftigen wir unsere ausdrückliche Solidarität.

Wir erleben in unseren Gesprächen mit den Menschen mit und ohne Einwanderungsgeschichte in unserem Bezirk die Enttäuschung und auch die Wut, die sie angesichts dieses Staatsversagens
empfinden. Alte Wunden werden aufgerissen und die Ängste aus der Zeit der Brandanschläge von Mölln und Solingen kommen wieder hoch, insbesondere bei unseren türkeistämmigen Bürgerinnen
und Bürgern. Die vielen positiven Entwicklungen beim interkulturellen Zusammenleben, die wir seitdem gemeinsam durch tatkräftiges, oft ganz alltägliches Engagement erreicht haben, scheinen
einmal mehr in Frage gestellt.

Es ist unbestreitbar, dass der Nährboden, aus dem der menschenfeindliche Neonazi-Terror hervorkriecht, aus Alltagsrassismus und Vorurteilen besteht, die in allen Schichten unserer Gesellschaft
noch immer weit verbreitet sind. Daher kann es eine erfolgreiche Politik gegen den Rechtsextremismus nur geben, wenn wir nachhaltig und umfassend am Abbau von fremdenfeindlichen
Einstellungen und Empfindungen arbeiten.

Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie in dieser für die Bundesrepublik insgesamt äußerst beschämenden Situation entschlossen die klare Konsequenz zieht: Wir brauchen im Kampf
gegen den Rechtsextremismus 1. eine wesentlich stärkere Förderung der gesellschaftlichen Kräfte und Initiativen, die sich gegen Nazis, gegen Rassismus, Antisemitismus und Islamophobie einsetzen,
als bisher. Wir begrüßen, dass alle im Bundestag vertretenen Parteien dies am 22. November 2011 in ihrer Erklärung ähnlich formuliert haben. Wir brauchen aber 2. eine deutlich verbesserte
Förderung derjenigen zivilen Akteure, die den interkulturellen Dialog und die menschlichen Begegnungen im alltäglichen Zusammenleben nachhaltig fördern. Der Abbau von Rassismus gelingt im
Alltag, er ist mit neuen Erfahrungen und Begegnungen verknüpft. Die Wertschätzung der beeindruckenden Vielfalt, die unsere Gesellschaft heute auszeichnet, wird vor allem in der lebendigen
Kommunikation vor Ort gestärkt.

Wir fordern daher die Bundesregierung auf, unverzüglich finanziell wesentlich besser ausgestattete
Programme als bisher aufzulegen, die es den Ländern, Kommunen und Bezirken ermöglichen,
beiden zivilgesellschaftlichen Zielen effektiv gerecht werden zu können.