Die BVV hat im April auf Antrag der Grünen beschlossen, dass Friedrichshain-Kreuzberg sich um den Titel „Fairtrade-Stadt“ bewerben soll. Die SPD-Fraktion hat dem Antrag nicht zugestimmt. Grundsätzlich befürworten die Sozialdemokraten den Gedanken des Fairen Handels – schließlich soll er gute Arbeitsbedingungen und eine gerechte Bezahlung in den Herkunftsländern sicherstellen, was ur-sozialdemokratische Anliegen sind. Problematisch aus Sicht der SPD-Fraktion ist aber: Die Aktion „Fairtrade-Towns“ ist eine (gut gemachte) PR-Kampagne des Vereins TransFair, also einem von mehreren Zertifizierern für fair gehandelte Produkte. „Ich bin nicht bereit, mich explizit für einen Zertifizierer einzusetzen und alle anderen hinten runterfallen zu lassen“, begründete der Bezirksverordnete Frank Vollmert das Abstimmungsverhalten der SPD in der BVV.
Damit Friedrichshain-Kreuzberg Fairtrade-Stadt wird, müssen bestimmte Kriterien eingehalten werden. Zum Beispiel soll die Presse mehrmals jährlich über die Kampagne berichten. (Das impliziert, dass der Bezirk Pressemitteilungen zur Aktion verschickten sollte.) Auch sollen Bildungsaktivitäten umgesetzt werden, zum Beispiel an Schulen und „oft im Rahmen weiterer Kampagnen von TransFair“, wie es auf der Internetseite zur Kampagne heißt. Andere Kriterien sind wiederum sehr niedrig angesetzt: Lokale Einzelhandelsgeschäfte sollen mindestens zwei (!) Produkte aus fairem Handel anbieten. Der Verdacht liegt daher nahe, dass es bei der Aktion insgesamt mehr um Werbung für TransFair als um tatsächliche Veränderungen im Bezirk geht.
Am TransFair-Label gibt es mittlerweile auch Kritik. So werden auch Mischprodukte ausgezeichnet, die nur zu einem Bruchteil aus fair gehandelten Zutaten bestehen. Der Importeur GEPA verzichtet mittlerweile bei vielen Produkten auf das TransFair-Siegel, da die eigenen Standards ohnehin höher sind. Die SPD-Fraktion weiß die Errungenschaften von TransFair durchaus zu schätzen. (Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat den Verein übrigens mitbegründet.) Dennoch ist es nicht die Aufgabe des Bezirks, sich zu unkritischer PR-Arbeit für einen einzelnen Zertifizierer zu verpflichten.
Die SPD-Fraktion fordert deshalb nun in einem Antrag, das Bewerbungsverfahren für den Titel „Fairtrade-Stadt“ offen zu gestalten. Neben TransFair sollen auch weitere Zertifizierer und regionale Akteure einer nachhaltigen Produktion eingebunden werden. Bevor Schulen und andere öffentliche Einrichtungen sich an der Kampagne beteiligen, soll ihnen die Dokumentation „Der faire Handel auf dem Prüfstand“ zugänglich gemacht werden. Sie zeigt neben den Erfolgen auch die Schwächen der bisherigen Zertifizierungspraxis für Fairtrade-Produkte auf.